Hitzewallungen, übermäßiges Schwitzen und trockene Schleimhäute – die typischen Wechseljahresbeschwerden sind zu einem großen Teil die Folge davon, dass unser Östrogenspiegel sinkt. Doch was ist Östrogen überhaupt und welche Aufgaben hat es im Organismus?
Östrogen ist das klassische Weiblichkeits- und Nestbauhormon. Eigentlich gibt es aber nicht nur ein Östrogen, sondern viele: Östrogene ist ein Überbegriff für etwa 30 weibliche Sexualhormone, die chemisch ähnlich aufgebaut sind und ähnlich wirken. Im Körper kommen sie in drei Formen vor – Estradiol, Estron und Estriol. (Oft findet man bei allen drei Hormonen auch noch die ältere Schreibweise mit Ö statt E.) Biologisch am stärksten wirksam ist das Estradiol.
Östrogen wird bei Frauen vor allem in den Eierstöcken, aber auch in der Nebennierenrinde und im Fettgewebe produziert. In der ersten Zyklushälfte bis kurz vor dem Eisprung steigt der Östrogenspiegel an, danach fällt er rapide ab. Während einer Schwangerschaft bildet der Mutterkuchen (die Plazenta) große Mengen an Östrogen; am höchsten ist der Wert vor der Entbindung. Männer produzieren in den Hoden ebenfalls Östrogen – aber natürlich sehr viel weniger als Frauen. Das „Herstellungsverfahren“ ist immer das gleiche: Bei Männern wie bei Frauen entsteht Östrogen durch enzymatische Umwandlung aus dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron. Angeregt wird die Östrogenbildung durch das follikelstimulierende Hormon (FSH) aus dem Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). In den Wechseljahren stellen die Eierstöcke ihre Arbeit allmählich ein und produzieren immer weniger Östrogen. Zwischendurch sammeln sie aber immer wieder einmal ihre letzten Kräfte und tun so, als wäre nichts. Bis zur letzten Monatsblutung (Menopause) kann der Östrogenspiegel deshalb noch stark schwanken.
Weibliche Kurven, straffes Gewebe
Seine Wirkung entfaltet Östrogen über spezielle Hormonrezeptoren in den Zellen. Diese finden sich beileibe nicht nur in den Fortpflanzungsorganen, sondern fast überall im Körper. Darüber hinaus stimuliert Östrogen die Freisetzung anderer Hormone, die unser Gehirn und unsere Psyche beeinflussen.
Die wichtigsten Aufgaben von Östrogen sind:
- beim weiblichen Embryo die Ausbildung der Geschlechtsorgane (Gebärmutter, Eierstöcke, Scheide)
- in der Pubertät das Wachstum der Brust und der Schambehaarung
- Ausprägung der weiblichen Kurven mit Fetteinlagerungen an den Hüften und Oberschenkeln
- Regulation des Menstruationszyklus
- Reifung der Eizelle
- Aufbau der Gebärmutterschleimhaut
- Steigerung der Durchblutung von Haut, Schleimhäuten und Gewebe (u. a. Gelenkknorpel)
- Senkung der Körpertemperatur
- Förderung der Scheidenflora
- Verbesserung des Cholesterinspiegels und Schutz vor Atherosklerose („Arterienverkalkung“)
- Senkung des Blutdrucks
- Hemmung des Knochenabbaus und Verbesserung der Knochenstabilität
- Wassereinlagerung im Gewebe, unter anderem in den Brüsten
- Kollagenaufbau in der Haut und im Bindegewebe
- im Nervensystem die Verstärkung von aktivierenden Botenstoffen wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin
- positive Stimmung
- emotionale Stabilität
Puh, eine ganze Menge, oder? Dazu kommt: Wenn sich eine Stellschraube im Hormonsystem verändert, wirkt sich das auf das gesamte hochkomplexe Netzwerk aus. So beeinflusst Östrogen unter anderem auch die Hormonproduktion in der Schilddrüse, den Nebennieren und der Hirnanhangsdrüse. Von den genauen Zusammenhängen ist bislang nur ein kleiner Teil bekannt. Kein Wunder also, dass wir die Folgen der sinkenden Östrogenproduktion in den Wechseljahren körperlich und psychisch merken. Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn das Auf und Ab der Hormone spurlos an uns vorübergehen würde.