Stimmungsschwankungen kennt fast jede Frau in den Wechseljahren. Dazu gehören auch Phasen von scheinbar grundloser Traurigkeit, Antriebslosigkeit und schlechter Laune. Grund zur Sorge besteht erst, wenn die depressive Stimmung zum Dauerzustand wird. Denn leider fördert der Hormonrückgang in den Wechseljahren nicht nur vorübergehende Stimmungsschwankungen, sondern bei einer entsprechenden Veranlagung auch die Entwicklung einer Depression.
Hormonumstellung begünstigt Depressionen
Unsere Sexualhormone haben einen ganz entscheidenden Einfluss auf unsere Psyche: Östrogen steigert die Vitalität und Antriebskraft, Progesteron wirkt ausgleichend und fördert die Entspannung. In vielen Bereichen des Gehirns und des zentralen Nervensystems finden sich Rezeptoren für die beiden Hormone – zum Beispiel an der Amygdala, die Emotionen steuert. Darüber hinaus hemmt Östrogen den Abbau der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin. Beide sind als „Glückshormone“ bekannt. Klar, dass das Auf und Ab der Sexualhormone das Gemüt belastet. Das haben viele Frauen schon allmonatlich vor der Menstruationsblutung oder während der sogenannten „Heultage“ nach der Geburt eines Kindes gemerkt. Man weiß aber auch, dass in hormonellen Umstellungsphasen das Risiko einer Depression steigt – etwa nach einer Schwangerschaft oder eben vor der Menopause.
Dazu kommt, dass die Wechseljahre an sich schon eine Herausforderung für die Psyche darstellen. Die Angst vor dem Älterwerden, das Ende der Fruchtbarkeit, das Erwachsenwerden der Kinder – all das kann Zweifel am eigenen Selbstwert aufkommen lassen. Zudem erschweren oft Hitzewallungen und Schlafstörungen den Alltag. Eine echte Depression entwickelt sich in der Regel aber nur, wenn noch andere Faktoren dazukommen. Das kann zum Beispiel eine genetische Veranlagung sein, belastende Erfahrungen in der Kindheit oder das dauerhafte Verdrängen eigener Bedürfnisse. Die Zusammensetzung der Darmflora (das Darmmikrobiom) spielt offenbar ebenfalls eine Rolle. Auch chronische Schmerzen, Schlafmangel, andere Erkrankungen und manche Medikamente können die Entstehung einer Depression fördern.
Wie äußert sich eine Depression in den Wechseljahren?
Meistens beginnt eine Depression schleichend. Oft können die Betroffenen ihre Symptome lange Zeit nicht richtig einordnen. Typisch sind Gedanken wie „Ich muss mich einfach mehr zusammenreißen“ oder „Ich brauche nur mal richtig Urlaub“. Oft hört man auch von Bekannten – manchmal sogar vom Arzt –, dass depressive Verstimmungen in den Wechseljahren ganz normal sind. Wenn die niedergeschlagene Stimmung aber schon deutlich länger als zwei Wochen anhält, Antriebsmangel und Dauermüdigkeit dazukommen und man an nichts mehr Interesse hat, spricht das für ein echte Depression. Besonders hoch ist das Risiko einer Depression in den Wechseljahren bei Frauen, die früher schon einmal an Depressionen gelitten hatten (zum Beispiel nach einer Geburt).
Mögliche Symptome einer Depression:
- gedrückte/ depressive Stimmung
- Antriebslosigkeit
- Interessenverlust
- Niedergeschlagenheit
- Konzentrationsschwäche
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Hoffnungslosigkeit
- innere Leere
- pessimistische Zukunftsvorstellungen
- verminderter oder verstärkter Appetit
- verringerte sexuelle Lust
- geringe Selbstachtung
- sozialer Rückzug
- Suizidgedanken
Diagnose einer Depression
Der erste Ansprechpartner beim Verdacht auf eine Depression ist oft der Hausarzt. Zur weiteren Diagnostik überweist er in der Regel an einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie, Neurologie oder Psychotherapie. Für eine sichere Diagnose müssen andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen werden – zum Beispiel eine Schilddrüsenerkrankung oder ein Burnout. Außerdem sollte abgeklärt werden, ob eventuell ein regelmäßig eingenommenes Medikament als Nebenwirkung depressive Störungen verursachen oder verstärken kann. Abzugrenzen ist die Depression von einer Angsterkrankung, die häufig beide gemeinsam auftreten.
Wenn du befürchtest, an einer Depression zu leiden, kann dir vielleicht dieser Selbsttest der Deutschen Depressionshilfe helfen, deine Symptome einzuordnen.
Behandlung der menopausalen Depression
Eine Depression ist eine schwerwiegende Erkrankung, die professionell behandelt werden sollte. Je früher, umso besser sind die Heilungsaussichten und umso geringer das Rückfallrisiko. Grundsätzlich beruht die Therapie auf zwei Säulen: der Psychotherapie und der medikamentösen Behandlung. Welche Form im Einzelfall besser geeignet ist, hängt vom Schweregrad der Erkrankung, dem bisherigen Verlauf und den persönlichen Lebensumständen ab. Oft werden auch beide Verfahren kombiniert. Gerade zu Beginn der Behandlung kann unter Umständen auch ein stationärer Klinikaufenthalt sinnvoll sein.
Antidepressiva
Wichtig zu wissen ist: Anders als manche Schlaf- oder Beruhigungsmittel machen Antidepressiva nicht süchtig. Ihre Wirkung zeigt sich erst nach ein bis zwei Wochen, manchmal dauert es auch noch länger. Hinweise aus älteren Studien, dass manche Antidepressiva bei Frauen in den Wechseljahren nicht so gut anschlagen, haben sich nicht bestätigt. Es gibt mehrere Klassen von Antidepressiva, die verschiedene Neurotransmitter im Gehirn beeinflussen. Die am häufigsten verwendeten sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wideraufnahmehemmer (SNRI) und die ältere Klasse der trizyklischen Antidepressiva. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art der Nebenwirkungen. Wer ein Medikament nicht verträgt, kommt oft mit einer anderen Substanzklasse besser zurecht. Häufige Nebenwirkungen sind beispielsweise Mundtrockenheit, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit. Meist treten diese am Anfang der Behandlung auf und lassen mit der Zeit nach. Wenn sich die Depression gebessert hat, muss man die Behandlung in der Regel noch mehrere Monate fortführen, da sonst ein hohes Rückfallrisiko besteht. Antidepressiva sollte man nicht abrupt absetzen, sondern die Dosis nach Absprache mit dem Arzt langsam verringern.
Neben den klassischen Antidepressiva hat sich auch hochdosiertes Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen als wirksam erwiesen. Körperliche Bewegung und sportliches Training haben ebenfalls nachweislich einen positiven Effekt.
Hormone
Bei Depressionen in den Wechseljahren kann auch eine (bioidentische) Hormontherapie helfen. Die Daten aus wissenschaftlichen Studien hierzu sind allerdings widersprüchlich. Zumindest hält die geltende medizinische Leitlinie einen Behandlungsversuch für vertretbar. Dies gilt nicht nur für eine diagnostizierte Depression, sondern bereits für „normale“ Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren – insbesondere dann, wenn die Frau zusätzlich auch unter Hitzewallungen leidet.
Therapie per App
Leider sind die Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz oft lang. Inzwischen gibt es zahlreiche Apps und Online-Angebote, die helfen sollen, die Zeit bis zum Therapiebeginn zu überbrücken: zum Beispiel Selfapy, Novego oder Deprexis. Bei den vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüften Apps kann man sicher sein, dass sie den deutschen Datenschutzrichtlinien entsprechen und ihr Nutzen belegt ist. Diese sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) kann ein Arzt oder Psychotherapeut auf Rezept verschreiben; die (oft hohen) Kosten übernimmt dann die Krankenkasse.
Weitere Hilfsangebote
Wenn du Fragen zu Depressionen oder zu den Anlaufstellen hast, kannst du dich an das Info-Telefon Depression wenden: 0800-33 44 533 (Mo, Di, Do: 13:00 bis 17:00 Uhr; Mi, Fr: 08:30 bis 12:30 Uhr)
Die Telefonseelsorge erreichst du rund um die Uhr, anonym und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet unter anderem eine E-Mail-Beratung und eine Suchfunktion für regionale Beratungsstellen und Krisendienste. Im Diskussionsforum Depression können sich Betroffene und Angehörige online austauschen und vernetzen.
Wie Bettina ihren Weg aus einer schweren Depression gefunden hat, kannst du in dem Beitrag „Ich habe über Jahre nur wie ein Roboter funktioniert“ nachlesen.