Früher war es einfacher: Als ich jünger war, musste ich nicht viel tun, um fit zu bleiben. Ich bin oft Fahrrad gefahren, geritten und in die Berge gegangen. Ich bewege mich einfach gerne – das hat bisher ausgereicht. Mit den Wechseljahren hat sich das geändert. Ich habe das Gefühl, gezielter etwas tun zu müssen, um meinen Körper auch langfristig gesund und leistungsfähig zu halten.
Anja Jancke-Souhr ist lizensierter Fitness- und Wechseljahres-Coach (menobalancefitness.de). Von ihrer derzeitigen Wahlheimat New York aus hilft sie Frauen in der Peri- und Postmenopause mit Online-Gruppenkursen und -Einzelberatungen beim Fitwerden. Ihr Motto ist: „Trainier weise, nicht mehr.“ Heute gibt sie uns Tipps, wie wir unsere sportliche Aktivität in der Lebensmitte optimieren können. Nicht um abzunehmen oder mit einem durchtrainierten Body zu beeindrucken, sondern um die Weichen für ein gesundes Älterwerden zu stellen.
Liebe Anja, wie sollen wir in den Wechseljahren trainieren, um fit und gesund zu bleiben?
Anja Jancke-Souhr: Spätestens in den Wechseljahren wird es immer wichtiger, dass wir nicht nur irgendwie, sondern ganz gezielt trainieren. Oft machen sich die ersten Zipperlein bemerkbar, man merkt, dass der Körper schwächer wird. Natürlich ist jede Art von Bewegung besser als keine. Aber in den Wechseljahren macht es Sinn, den Fokus mehr aufs Krafttraining zu verlagern.
Um Osteoporose vorzubeugen?
Ja, aber nicht nur. Natürlich ist Widerstandstraining gegen die Schwerkraft ein sehr effektives Mittel, um unsere Knochen vor Osteoporose zu schützen. Was viele aber nicht wissen: Unsere Muskeln wirken darüber hinaus wie ein eigenes endokrines Organ. Sie schütten hormonähnliche Stoffe aus, die mit anderen Hormonen kommunizieren – zum Beispiel mit Schilddrüsenhormonen, Stoffwechselhormonen und Neurotransmittern. Das sorgt dafür, dass wir besser schlafen, sich der Blutzuckerspiegel stabilisiert, wir weniger „schlechtes“, entzündungsförderndes Fett ansetzen und der Stresspegel sinkt. All diese Dinge sind in den Wechseljahren oft beeinträchtigt. Krafttraining kann helfen, dass wir uns auf vielen Ebenen besser fühlen.
Cardio und Laufen haben also ausgedient? Brauchen wir nicht auch Ausdauersport für das Herz-Kreislauf-System?
(Lacht.) Natürlich kannst du weiterhin Laufen gehen oder ein Cardio-Workout machen. Bei Frauen sind der Stoffwechsel und die Muskulatur mehr auf Ausdauer angelegt, deshalb fällt uns das meist leichter. Aber der Fokus sollte sich verlagern. Je älter wir werden, desto mehr Muskelmasse verlieren wir. Der Östrogenrückgang verstärkt das noch. Und die schnell arbeitenden Muskelfasern, die wir für intensive, explosive und kraftvolle Bewegungen brauchen, verschwinden als erstes.
Das heißt, wir müssen ins Fitnessstudio und Gewichte stemmen?
Nein, nicht unbedingt. Der eigene Körper ist zum Glück ein wunderbares „Trainingsgerät“ und reicht am Anfang völlig aus. Das Wichtigste ist, dass das Training realisierbar ist und nicht utopisch. Den Vorsatz, ab sofort dreimal pro Woche eine Stunde ins Fitnessstudio zu gehen, hält man meistens nicht lange durch. Besser ist es, klein anzufangen, zum Beispiel mit zehn oder zwanzig Minuten Training daheim, und eine Routine im Alltag zu entwickeln. Mit dem Erfolg kommt dann auch der Spaß am Krafttraining.
Was brauche ich fürs Training zu Hause?
In erster Linie eine Matte und ein bisschen Platz. Wer etwas mehr investieren möchte, kann sich noch kleine Hanteln und ein Widerstandsband zulegen, ein Theraband zum Beispiel. Die Hanteln sollten aber nicht zu leicht sein. Ein Richtwert ist, dass man sie ungefähr zehnmal in guter Bewegungsqualität von der Schulter hochstemmen kann, nicht wesentlich öfter. Bei Untrainierten sind das in der Regel zwei bis vier Kilo pro Hantel. Aber das ist individuell verschieden, deshalb am besten selbst ausprobieren. Und für Entspannungs- und Lockerungsübungen nehme ich gerne einen Tennisball. Damit kann man wunderbar zum Beispiel die Fußsohlen ausmassieren.
Wie sieht ein effektives Krafttraining in den Wechseljahren aus?
Die Basis, wenn man bisher nichts gemacht hat, ist erst einmal die Kraftausdauer – also Übungen mit kleinen Gewichten oder Widerständen und vielen Wiederholungen. Das ist auch wichtig für die Koordination, um die Bewegungsmuster gut hinzubekommen.
Irgendwann braucht der Körper für mehr Kraftentwicklung aber höhere Reize. Dafür arbeiten wir mit 80 Prozent der Maximalkraft. Eine Übung besteht aus vier bis acht Wiederholungen und drei bis fünf Sätzen. Alles mit einem technisch sauberen Bewegungsablauf! Dazu kommen dann noch Schnellkraft- und Sprungübungen, die ganz wichtig für die Knochendichte und die Reaktivierung der schnell arbeitenden Muskelfasern sind.
Trainingsmethoden wie das High-Intensity-Intervalltraining und das Sprintintervalltraining setzen besonders effektive Reize. Sie sind kurz und knackig und deshalb auch gut, wenn man wenig Zeit hat.
Wie funktioniert so ein Intervalltraining?
Beim Sprintintervalltraining gibst du maximal 30 Sekunden lang alles, was du hast. Dann machst du mindestens ein bis zwei Minuten langsamer, bevor du wieder voll reingehst. Das Ganze wiederholst du bis zu sieben Mal; am Anfang reichen auch zwei bis drei Mal. Diese Art von Training kannst du in ganz vielen Sportarten machen, zum Beispiel beim Laufen, Schwimmen oder Fahrradfahren. Oder auch beim Treppensteigen. Allerdings ist das ein sehr intensives Training, das man nicht täglich machen sollte.
Wie oft und wie lange sollte ich denn trainieren, um einen Effekt zu erzielen?
Wichtig ist die Regelmäßigkeit. Zweimal die Woche sollte es schon sein, besser dreimal. Wenn du hochintensiv trainierst, reichen schon zehn Minuten. Wenn du mal keine Zeit hast, lass nie ein Training aus, sondern mach wenigstens eine Übung. Sonst schleift sich das schnell ein. Auch wenn du schlecht geschlafen hast oder dich einfach nicht so gut fühlst, solltest du das Training anpassen, aber nicht skippen. Bei Fieber – oder wenn andere medizinische Gründe dagegensprechen – muss man allerdings pausieren. Wenn du jeden Tag trainieren möchtest, kannst du die Muskelgruppen abwechseln – also zum Beispiel einen Tag ein Workout für die Beine und am nächsten für den Oberkörper machen. Pausen sind nicht nur wichtig für die Regeneration, sondern auch für den Trainingseffekt.
Gerade bei Frauen in den Wechseljahren kommt es allerdings manchmal vor, dass der Cortisolspiegel chronisch erhöht ist. Das kann sich zum Beispiel durch Burnout-Symptome, ein hohes Stresslevel, Schlafprobleme und starke Erschöpfung äußern. Dann rate ich von sehr intensiven Trainingseinheiten ab. Die würden das Problem noch verstärken.
Viele Frauen leiden in und nach den Wechseljahren unter einem geschwächten Beckenboden, vielleicht auch schon an unfreiwilligem Urinverlust. Worauf muss man beim Training dann achten?
Um Rumpfkraft aufzubauen, braucht man den Beckenboden. Oft ist der der schwächste Part, der den Druck im Bauchraum bei Belastung nicht halten kann. Bei Sit-ups zum Beispiel merken viele Frauen, dass der Druck über den Beckenboden nach unten „abhaut“. Das ist dann im Moment vielleicht nicht die optimale Übung. Bei allem, wo man Kraft im Körperzentrum, dem Core, braucht, ist es wichtig, die Rumpfmuskulatur und den Beckenboden zu stabilisieren. Ich sage immer bildhaft, „das Korsett schnüren“. Wenn man merkt, man kann diese Spannung nicht halten, sollte man einen Schritt zurückgehen – also zum Beispiel bei Bauchmuskelübungen mit angewinkelten statt mit gestreckten Beinen arbeiten. Auch bei Sprüngen sollte jede Frau gut in ihren Körper hineinspüren, ob ihr Beckenboden das auffangen kann. Gegebenenfalls kann man die Übung dann modifizieren – also zum Beispiel kleinere Hopser machen oder nur federn.
Gibt es Übungen, die besonders gut für den Beckenboden sind?
Man kann den Beckenboden direkt zum Beispiel über sogenannte Kegel-Übungen aktivieren. Die korrekte Ansteuerung erfordert jedoch eine gute Körperwahrnehmung, was für viele Frauen schwierig ist. Einfacher sind indirekte Übungen, bei denen der Beckenboden reflektorisch arbeitet, zum Beispiel bei Balanceübungen, Kniebeugen oder kleinen Hopsern. Wenn der Beckenboden allerdings schon sehr geschwächt ist und die Frau ihn gar nicht mehr bewusst ansteuern kann, sollte man zunächst mit einem speziell geschulten Physiotherapeuten oder einer Beckenbodentrainerin die Grundlagen schaffen. Das war bei mir nach fünf Schwangerschaften auch so, obwohl ich immer viel Sport getrieben habe. Häufig ist der Beckenboden auch schwach, weil er zu verspannt ist. Auch hier kann Physiotherapie helfen.
Soll man auch mit Schmerzen trainieren – wenn zum Beispiel die Gelenke wehtun?
Zunächst würde ich mit dem Arzt abklären, ob Sport im individuellen Fall okay ist. Meistens ist es eher so, dass die Schmerzen auf Dauer schlimmer werden, wenn man nichts macht. Oft kann man auch eine Bewegung so verändern, dass es weniger wehtut – zum Beispiel bei Kniebeugen nicht so tief in die Hocke gehen. Oder ein Kissen unterlegen, wenn man die Handgelenke aufstützt. Ich würde nie sagen, jemand darf irgendetwas nie mehr machen. Manchmal muss man nur etwas langsamer anfangen und die Übungen individuell anpassen. Das heißt, es geht eher um das „wie“ als um das „was“. Die meisten Frauen merken dann sehr schnell, dass die Gelenke mit zunehmender Übung und Kräftigung weniger schmerzen.
Welche Rolle spielt die Ernährung beim Sport?
Frauen sollten nicht mit leerem Magen trainieren, sondern immer vorher eine Kleinigkeit essen, zum Beispiel eine halbe Banane oder ein paar Löffel Müsli. Im Fastenzustand Energie zu mobilisieren, bedeutet für den weiblichen Körper Stress, und er ist schneller erschöpft. Frauen reagieren darauf offenbar empfindlicher als Männer.
Generell ist es wichtig, nicht zu wenig zu essen, wenn man trainiert. Der Körper braucht Energie, um Leistung zu bringen und Muskeln aufzubauen – in Form von „guten“ Kalorien, also hochwertigen, nährstoffreichen Lebensmitteln mit ausreichend Proteinen. Vor allem nach dem Training kann eine eiweißreiche Mahlzeit beim Muskelaufbau helfen. Studien zeigen, dass das in ersten 30 Minuten danach besonders effektiv ist.
Hast du eine Lieblingsübung, die man gut zwischendrin mal machen kann, um ein bisschen Muskeltraining in den Alltag zu integrieren?
Die Kniebeuge. Das ist tatsächlich meine Lieblingsübung. Geh dabei so tief, wie du kommst – das fordert den ganzen Körper, tatsächlich mehr als 200 Muskeln. Achte darauf, dass die Knie weder nach innen kippen noch zu sehr nach außen gehen. Der Rücken sollte neutral bleiben. Wenn du dann noch die Arme nach oben streckst, trainierst du auch den langen Rückenmuskel. Die Kniebeuge kann man immer und überall machen, zum Beispiel jedes Mal nach dem Toilettengang oder wenn du die Spülmaschine ausräumst.
Danke für deine Tipps, liebe Anja!
Wenn du jetzt voll motiviert durchstarten möchtest: Bei Anja kannst du ein kostenloses Online-Probetraining buchen. Schreib ihr einfach eine Mail an anja14089@icloud.com. Außerdem bietet sie auch Wechseljahresberatungen an, für die du ein kostenloses Kennenlerngespräch vereinbaren kannst.
Sport ist die beste Medizin
- Menschen, die täglich 15 Minuten lang sportlich aktiv sind, senken ihr Sterberisiko um 14 Prozent und leben im Schnitt drei Jahre länger als Bewegungsmuffel.
- Unabhängig von anderen Einflussfaktoren wie Übergewicht und Rauchen halbieren zehn Minuten langsames Joggen täglich das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Das ist mehr, als Medikamente schaffen.
- Schon 2,5 Stunden flottes Spazierengehen pro Woche verringern bei Gesunden das Diabetesrisiko um 30 Prozent.
- Regelmäßige Bewegung verbessert die Abwehrkräfte: Die Zahl und die Aktivität der Immunzellen im Blut steigt, die Infektanfälligkeit sinkt.
- Wer in seiner Freizeit viel Sport treibt, reduziert die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs um 26 Prozent, für Darmkrebs um 16 Prozent und für Brustkrebs um 10 Prozent.
- Bei Menschen mit Depressionen wirkt regelmäßiges körperliches Training ähnlich effektiv wie eine Pharmako- oder Psychotherapie.
- Sport lässt nachweislich neue Nervenzellen sprießen – besonders in den wichtigen Hirnregionen für die Gedächtnis- und die Lernfunktion.
Ausführlichere Informationen dazu findest du in dem Artikel „Sport ist die beste Medizin“, den ich für die Pharmazeutischen Zeitung geschrieben habe.
Foto: Robert Staffl