Was kann eine Hormontherapie – und was nicht?

Die Hormonersatztherapie liegt gerade voll im Trend – zumindest in den sozialen Medien und auf dem Buchmarkt. Wer in und nach den Wechseljahren gesund und leistungsfähig bleiben will, kommt – so scheint es – an einer bioidentischen Hormontherapie nicht vorbei. Sind bioidentische Hormone das Allheilmittel gegen Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und andere Wechseljahresbeschwerden? Und können sie gesundheitliche Spätfolgen des Hormonrückgangs verhindern – wie etwa Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Ich habe dir mal zusammengefasst, wie die wissenschaftliche Datenlage dazu aussieht. 

Positive Wirkungen der Hormontherapie

Hitzewallungen

Die Hormontherapie gilt als das effektivste Mittel zur Linderung von Hitzewallungen: Im Schnitt sinkt die Häufigkeit durch die Behandlung um 75 Prozent. 

Aber: Bei etwa der Hälfte der Frauen treten die Beschwerden erneut auf, wenn sie die Therapie beenden. Durch eine langsame Dosisverringerung lässt sich das manchmal umgehen.

Osteoporose

Die Hormontherapie reduziert das Risiko von Knochenbrüchen aufgrund von Knochenschwund. Zur Vorbeugung von Osteoporose empfiehlt die medizinische Leitlinie trotzdem in erster Linie eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D sowie regelmäßige körperliche Aktivität. Zu einer Hormontherapie rät sie nur, wenn das individuelle Erkrankungsrisiko sehr hoch ist (zum Beispiel bei einer familiären Vorbelastung oder langjähriger Kortisontherapie) und Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten für andere Medikamente zur Prävention bestehen. Ansonsten gilt der Schutz vor Osteoporose als angenehmer Nebeneffekt, wenn eine Hormontherapie zur Linderung von Hitzewallungen eingesetzt wird. Die Schutzwirkung scheint auch nach dem Ende der Behandlung anzuhalten.

Tipps, wie du deine Knochengesundheit verbessern kannst, findest du im Beitrag „Osteoporose nach den Wechseljahren – nein, danke!

Darmkrebs

Das Risiko für Dickdarmkrebs sinkt durch eine Hormontherapie um etwa ein Viertel. Zur Vorbeugung von Darmkrebs ist die Hormontherapie aber nicht zugelassen.

Nicht nachgewiesene Wirkungen der Hormontherapie

Scheidentrockenheit

Bei manchen Frauen verbessert eine Hormontherapie die Beschwerden durch eine trockene Scheidenschleimhaut, bei anderen nicht. Insbesondere bei einer niedrig dosierten Hormontherapie zeigt sich oft kein Effekt. Dann kann eine zusätzliche Östrogencreme für die Scheide helfen.

Mehr Infos zur Scheidentrockenheit findest du im Beitrag „Wenn Feuchtgebiete zur Wüste werden“.

Depressionen

Der Hormonrückgang in den Wechseljahren kann dazu beitragen, dass die Anfälligkeit für Depressionen steigt. Es gibt Hinweise, dass eine Hormontherapie antidepressiv wirken kann – besonders, wenn die Symptome mit Beginn der Wechseljahre auftreten oder sich verschlechtern. Möglicherweise trägt eine bioidentische Hormontherapie auch zur Vorbeugung bei. Allerdings ist die Datenlage in beiden Fällen nicht ausreichend und zum Teil widersprüchlich. 

Demenz

Es gibt Studien, die belegen, dass eine Hormontherapie das Demenzrisiko senken kann. In den meisten Studien ließ sich ein solcher Zusammenhang jedoch nicht nachweisen. 

Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Nach der Menopause fällt der schützende Effekt des Östrogens weg und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt (mehr dazu: „Herzprobleme in den Wechseljahren ernstnehmen!“). Die Hoffnung, dass sich das durch eine Hormontherapie ändern lässt, haben sich jedoch nicht erfüllt. Zum Teil beruht das auf dem erhöhten Thromboserisiko durch oral aufgenommene Östrogene (siehe weiter unten). Wahrscheinlich schneiden bioidentische, über die Haut aufgenommene Hormone hier besser ab. Dass sie das Herzinfarktrisiko tatsächlich senken können, ist aber bislang nicht belegt. Die Einnahme von Östrogen in Tablettenform kann möglicherweise zum Schutz vor Atherosklerose („Arterienverkalkung“) beitragen. Ein früherer Herzinfarkt gilt nach wie vor als Kontraindikation für eine Hormontherapie.

Libidoverlust

Eine Hormontherapie kann das sexuelle Verlangen, das in den Wechseljahren manchmal abnimmt, wieder verstärken. Die klassische Kombination aus Östrogen und Progesteron hilft aber nicht immer. Unter Umständen kann der Arzt/ die Ärztin dann zu einem Therapieversuch mit Testosteron raten (im sogenannten „Off-Label-Use“, da Testosteron für diese Indikation bei Frauen nicht zugelassen ist). Oft ist Libidoverlust aber auch eine Folge von Beziehungsproblemen, mangelndem Selbstwertgefühl oder anderen gesundheitlichen Problemen.

Unerwünschte Wirkungen der Hormontherapie

Inkontinenz

Eine Hormontherapie kann das Auftreten einer Blasenschwäche (Inkontinenz) fördern und bereits bestehende Beschwerden verschlechtern. Dies gilt nicht für eine lokale Östrogenbehandlung der Scheide. Diese wirkt sich im Gegenteil positiv aus.

Mehr zum Thema Inkontinenz in den Wechseljahren: „Wenn die Blase nicht mehr dichthält

Thrombosen und Schlaganfall

Die Einnahme von Östrogenen erhöht das Risiko, dass sich Blutgerinnsel bilden und die Blutgefäße verstopfen. Passiert das im Gehirn, kommt es zum Schlaganfall. Manche synthetischen Gelbkörperhormone können diesen Effekt offenbar verstärken. Wird bioidentisches Östrogen über die Haut aufgenommen, steigt das Schlaganfallrisiko nach bisherigen Erkenntnissen nur bei einer sehr hohen Dosierung (über 50 Mikrogramm). Auch die Einnahme von bioidentischem Progesteron scheint Blutgerinnsel nicht zu fördern.

Brustkrebs

Eine Hormontherapie mit Östrogen und Progesteron kann das Risiko für Brustkrebs erhöhen. Dies gilt insbesondere bei einer Behandlungsdauer von mehr als fünf Jahren. Bei einer einjährigen Therapie steigt das Risiko laut Studien nicht. Frauen, die bereits Brustkrebs hatten, dürfen in der Regel trotzdem keine Hormontherapie bekommen.

Mehr dazu: „Wie Hormone das Brustkrebsrisiko beeinflussen

Gebärmutterkrebs

Eine Östrogentherapie in den Wechseljahren erhöht das Risiko, dass sich in der Gebärmutterschleimhaut Krebs entwickelt. Deshalb bekommen Frauen, die noch eine Gebärmutter haben, zusätzlich ein Gelbkörperhormon (Progesteron oder ein synthetisches Gestagen). Bei einer mehrjährigen Anwendung lässt sich ein erhöhtes Risiko für ein Endometriumkarzinom trotzdem nicht ausschließen. Nach einer Gebärmutterentfernung ist die Gabe von Progesteron nicht notwendig, kann zur Behandlung von Symptomen aber manchmal trotzdem sinnvoll sein.

Fazit:

Wer unter starken Hitzewallungen leidet, die vielleicht auch noch die Nachtruhe rauben, für den kann eine bioidentische Hormontherapie ein echter „Game Changer“ sein. Einige Nachteile der früheren synthetischen Präparate fallen bei bioidentischen Hormonen weg. Allerdings stammen die meisten Studienergebnisse aus Zeiten, zu denen es noch keine bioidentische Hormontherapie gab. Deshalb ist die Datenlage bislang relativ dünn – insbesondere, was eine langjährige Behandlung betrifft. Laut der ärztlichen Leitlinie sind Hitzewallungen die einzige Indikation für eine Hormonersatztherapie in den Wechseljahren – außer in ganz wenigen Ausnahmefällen die Prävention von Osteoporose.

Eines sind bioidentische Hormone auf keinen Fall: ein Lifestyle-Medikament, um jugendliche Frische, Sex-Appeal und Power zu konservieren. Denn dem erhofften Nutzen stehen immer auch Risiken gegenüber, die es individuell abzuwägen gilt. Die Wechseljahre sind auch kein unnatürlicher Zustand eines Hormonmangels, der behoben werden müsste. Und immer ist die Hormontherapie nur einer von mehreren Bausteinen, die die Gesundheit in und nach den Wechseljahren verbessern. Mindestens ebenso wichtig sind Sport, gesunde Ernährung und Stressreduktion.

Wichtig: Die Angaben zur Wirkung der Hormontherapie beziehen sich auf die sogenannte systemische Gabe – das heißt, die Aufnahme durch den Mund (oral) oder über die Haut (transdermal). Für die lokale Anwendung, zum Beispiel in Form von Scheidencremes, gelten sie nicht. Bei Frauen mit einer vorzeitigen Menopause (vor dem 40. Lebensjahr) rät die Leitlinie unabhängig von eventuellen Beschwerden dazu, mindestens bis zum 50. Lebensjahr eine Hormontherapie oder die Pille zu nehmen.

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