In den Wechseljahren fahren die Sexualhormone Achterbahn, bevor sie ganz in den Keller rutschen. Klar, dass das auch unsere Libido beeinflusst. Wie genau, ist allerdings von Frau zu Frau unterschiedlich. Einige verspüren weniger Lust, manche kämpfen mit Beschwerden wie Scheidentrockenheit oder Schmerzen beim Sex. Viele genießen die Sexualität aber spätestens nach der Menopause bewusster und freier als je zuvor.
Hormone im Wandel – und ihre Wirkung auf die Lust
Je nach Studie klagen in der Lebensmitte 30 bis 70 Prozent aller Frauen über geringes sexuelles Verlangen. Allein auf den Rückgang der weiblichen Sexualhormone lässt sich das aber nicht zurückführen. In der ersten Phase der Wechseljahre, der Perimenopause, sinkt vor allem der Progesteronspiegel. Das Gelbkörperhormon zeigt eher einen dämpfenden Effekt auf die Libido, hemmt jedoch Stressreaktionen und fördert die Entspannung. Wie sich der Progesteronrückgang auf das Sexualleben auswirkt, ist deshalb individuell unterschiedlich.
Östrogene hingegen fördern die Durchblutung der Scheide und verbessern die natürliche Befeuchtung – beides wichtige Voraussetzungen für das Lustempfinden. In der Anfangsphase der Wechseljahre, der Perimenopause, kommt es oft zu einer relativen Östrogendominanz. Die kann das sexuelle Interesse theoretisch sogar anheizen. Am stärksten steuert den Sexualtrieb auch bei der Frau das Testosteron. Das sinkt im Verlauf des Älterwerdens zwar ab, ist in den Wechseljahren allerdings keinen solch extremen Veränderungen unterworfen wie die weiblichen Geschlechtshormone. Nach der Menopause liegt der Spiegel im Verhältnis zum Östrogen und Progesteron deshalb höher als während der fruchtbaren Jahre.
Stress killt die Libido
Doch nicht nur Hormone beeinflussen die Sexualität. Auch die Lebensumstände verändern sich in der Lebensmitte oft tiefgreifend. Manche Frauen starten beruflich noch einmal durch, zu Hause zerren vielleicht pubertierende Kinder an den Nerven, gleichzeitig benötigen die eigenen Eltern oft zunehmend Unterstützung. Auch in der Partnerschaft kriselt es in dieser Lebensphase häufig. All das verursacht Stress, der sich negativ auf die Libido auswirkt: Er hemmt die Produktion des Neurotransmitters Dopamin, das eine Schlüsselrolle bei der Steuerung des sexuellen Verlangens spielt.
Niedergeschlagenheit und depressive Verstimmungen wirken ebenfalls als Lustkiller. Werden die Kinder flügge und verlassen schließlich das Elternhaus, stürzt das viele Mütter in eine Krise, das Empty-Nest-Syndrom: Sie trauern, fühlen sich innerlich leer, einsam und „nutzlos“; das Selbstwertgefühl leidet. Frauen, die ungewollt kinderlos sind oder gerne noch einmal Nachwuchs gehabt hätten, empfinden das nahende Ende der Fruchtbarkeit oft als schmerzhaften Abschied.
Viele Frauen fühlen sich außerdem weniger attraktiv, weil sie im Zuge der hormonellen Umstellung vielleicht ein paar Kilo zugenommen haben und die äußerlichen Zeichen des Älterwerdens deutlicher zutage treten. Auch das kann die Freude am intimen Zusammensein dämpfen.
Körperliche Beschwerden, die die Lust schmälern
Oft tragen auch die körperlichen Begleiterscheinungen der Wechseljahre dazu bei, dass Frauen ihre Sexualität nicht mehr so recht genießen können:
- Hitzewallungen und Schlafstörungen beeinträchtigen die Libido.
- Unregelmäßige oder starke Blutungen erschweren spontane Intimität.
- Beckenbodenschwäche, Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden stören das Lustempfinden.
- Scheidentrockenheit (vulvovaginale Atrophie) und damit verbundene Schmerzen dämpfen die Liebeslust.
Ohne Behandlung verschlimmern sich Probleme mit dem Beckenboden und der Vaginalschleimhaut mit der Zeit. Deshalb lohnt es sich, frühzeitig Hilfe zu suchen.
Was tun bei anhaltender Lustlosigkeit?
Nicht für jede Frau ist mangelnde Libido ein Problem. Ob und wie stark sie das eigene Wohlbefinden beeinträchtigt, hängt sehr von den Lebensumständen und den persönlichen Erfahrungen ab. Hält eine ausgeprägte sexuelle Unlust länger als sechs Monate an und belastet die Lebensqualität oder die Beziehung erheblich, sprechen Fachleute von einer sogenannten Hypoactive Sexual Desire Disorder (HSDD). In diesem Fall gibt es mehrere Behandlungsansätze mit nachgewiesener Wirksamkeit, die oft in Kombination am besten funktionieren:
- sexualtherapeutische Beratung
- kognitive Verhaltenstherapie
- (bioidentische) Hormonersatztherapie
- bei Bedarf zusätzlich transdermales Testosteron (off label)
Gegen Scheidentrockenheit helfen vaginale Östrogenpräparate oder Prasteron (DHEA) sowie nicht-hormonelle Mittel wie Gleitgele oder Feuchtigkeitscremes. Auch eine vaginale Lasertherapie kann Beschwerden lindern, wird jedoch derzeit nicht von den Krankenkassen übernommen.
Neuer Schwung fürs Liebesleben
Trotz aller Veränderungen – oder vielleicht gerade deshalb – entdecken viele Frauen ihre Sexualität in den Wechseljahren neu: selbstbestimmter, bewusster, entspannter. Denn auch das ist eine „Nebenwirkung“ der hormonellen Umstellung: Statt Care-Arbeit und der Sorge um andere treten Selbstfürsorge und die Verwirklichung eigener Träume in den Vordergrund. Wir gewinnen Klarheit über unsere Bedürfnisse und finden die innere Stärke, diese offen zu kommunizieren. Das kann ein echter Gewinn für das Liebesleben sein. Nicht zuletzt fällt nach der Menopause (ein Jahr nach der letzten Periodenblutung) auch endlich der Stress mit der Verhütung weg. Spätestens dann können die meisten Frauen ihre Sexualität wieder mehr genießen.

Dieser Blogbeitrag basiert in Teilen auf dem Artikel „Wie die Menopause das Liebesleben beeinflusst“, den ich für die Pharmazeutische Zeitung geschrieben habe.