Viele Symptome, unter denen Frauen in den Wechseljahren leiden, sind die Folge der nachlassenden Progesteronproduktion: zum Beispiel schlechter Schlaf, Gereiztheit, Stimmungsschwankungen und stärkere PMS-Beschwerden vor der Periode (siehe auch: Wie Progesteron unsere Stimmung beeinflusst) . Das ist aber nicht der Hauptgrund, weshalb zu einer bioidentischen Hormontherapie in den Wechseljahren fast immer nicht nur Östrogen, sondern auch Progesteron gehört. Wann Progesteron notwendig ist, wie man es nehmen kann und welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Anwendungsformen haben, erfährst du in diesem Blogartikel.
Progesteron schützt die Gebärmutter
Östrogen stimuliert das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut. Passiert das über längere Zeit, steigt das Risiko, dass einzelne Zellen entarten und daraus Krebs entsteht (ein Endometriumkarzinom). Deshalb brauchen wir Progesteron: Das Gelbkörperhormon ist der natürliche Gegenspieler von Östrogen, der im normalen Menstruationszyklus das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut begrenzt. Genau das macht Progesteron auch in der menopausalen Hormontherapie.
Eine reine Östrogentherapie steigert das Risiko für ein Endometriumkarzinom deutlich – das belegen zahlreiche Studien. Die Zugabe von Progesteron oder einem synthetischen, progesteronähnlichen Hormon (ein sogenanntes Gestagen) verhindert das. Darauf verzichten können nur Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben. Für sie kommt zur Linderung von Hitzewallungen und anderen Wechseljahresbeschwerden auch eine Östrogen-Monotherapie infrage.
Oral: Progesteron zum Einnehmen
Die meisten Frauen nehmen Progesteron oral – also als Kapsel zum Schlucken. Denn anders als Östrogen wird Progesteron über die Haut nur sehr schlecht aufgenommen. Die Menge, die dadurch im Blut und in der Gebärmutter landet, ist zu gering, um vor einem Endometriumkarzinom zu schützen. Das haben Studien immer wieder nachgewiesen.
Der Nachteil der oralen Aufnahme: Progesteron wird in der Leber schnell verstoffwechselt. Das, was im Körper wirkt, ist zum größten Teil nicht mehr das Progesteron selbst, sondern seine Um- und Abbauprodukte. Die ähneln ihrem Ausgangsprodukt aber sehr und bewahren die Gebärmutterschleimhaut nachweislich vor einem übermäßigen Wachstum. Strenggenommen ist aber oral eingenommenes Progesteron nach den Veränderungen in der Leber nicht mehr bioidentisch. Denn das körpereigene Progesteron gibt der Eierstock direkt ins Blut ab – ohne Umweg über die Leber.
Vaginales Progesteron
Progesteron zur vaginalen Anwendung, also Kapseln oder Gel zum Einführen in die Scheide, ist eigentlich nur für die Kinderwunschtherapie zugelassen. Trotzdem empfehlen viele Frauenärztinnen diese Art der Anwendung auch im Rahmen einer menopausalen Hormontherapie. Der Grund: Das Progesteron gelangt so auf direktem Weg dorthin, wo es wirken soll – in die Gebärmutterschleimhaut. Die Umwandlungsprozesse in der Leber fallen weg.
Dieselben Weichkapseln, die für die orale Einnahme gedacht sind, kann man auch vaginal anwenden. Potenziell reicht dann eine geringere Wirkstoffmenge aus – zum Beispiel 100 mg statt 200 mg. Professor Dr. Alfred Mueck, ein namhafter Hormonspezialist und langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Menopause-Gesellschaft (DMG), konstatierte auf dem letzten DMG-Kongress sogar, dass bei vielen Frauen eine 100-mg-Kapsel zweimal pro Woche ausreiche. Einzelne erfahrene Gynäkologinnen setzen das wohl auch so ein. Studien gibt es dazu meines Wissens aber nicht. Generell ist die Datenlage für die vaginale Progesterongabe in den Wechseljahren – auch wenn sie pharmakologisch durchaus Sinn macht – relativ dünn. Zumindest über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren schützt sie aber (bei einer Dosierung von 100 bis 200 mg) nachweislich vor einem übermäßigen Wachstum der Gebärmutterschleimhaut.
Transdermal: Progesteron als Creme
Progesteron in Creme- oder Gelform zur Anwendung über die Haut kommt eigentlich nur für Frauen infrage, die kein zusätzliches Östrogen nehmen – oder keine Gebärmutter mehr haben. Bei einer kombinierten Hormontherapie reicht es zum Schutz vor Gebärmutterschleimhautkrebs (siehe oben) nicht aus.
Zugelassen ist transdermales Progesteron nur zur Behandlung von hormonbedingten Brustschmerzen. Da nur ein sehr geringer Anteil in den Blutkreislauf gelangt, ist eine Wirkung auf menopausale Beschwerden sehr unwahrscheinlich.
Progesteron für besseren Schlaf
Viele Frauen schätzen am Progesteron vor allem seine beruhigende und schlaffördernde Wirkung. Die tritt allerdings nur bei der oralen Einnahme ein. Verantwortlich dafür ist nämlich nicht das Progesteron selbst, sondern zwei seiner Abkömmlinge: Allopregnanolon und Pregnanolon, die bei der Verstoffwechslung in der Leber entstehen.
Wenn du unter Schlafproblemen leidest, solltest du die Progesteron-Kapsel am Abend schlucken, etwa eine Stunde vor dem Zubettgehen.
Sind Einnahmepausen nötig?
Nach der Menopause, wenn der Körper praktisch kein Östrogen und Progesteron mehr selbst produziert, wird eine Hormontherapie meist in kontinuierlicher Form verordnet. Die Frau nimmt also jeden Tag Östrogen und Progesteron – ohne Einnahmepause. (Immer vorausgesetzt natürlich, dass sie starke Beschwerden hat und sich für eine Hormontherapie entschieden hat. Mehr über hormonfreie Alternativen findest du z. B. in den Beiträgen „Pflanzenpräparate gegen Wechseljahresbeschwerden“ oder „Hitzewallungen: Was bringt die neue Therapie ohne Hormone?“)
Anders sieht es in der Perimenopause aus – wenn die Frau noch Periodenblutungen hat. Dann verschreiben die meisten Ärztinnen Progesteron nur über 12 bis 14 Tage in der zweiten Zyklushälfte. In der Einnahmepause kommt es oft zu einer Abbruchblutung. Das dient dazu, das natürliche Auf und Ab der Progesteronproduktion zu imitieren und den Zyklus zu stabilisieren. Das Östrogen kann man parallel je nach Anweisung der Ärztin kontinuierlich ohne Pause anwenden (sequenzielle Kombinationstherapie) oder über 21 Tage mit einer einwöchigen Unterbrechung (zyklische Kombinationstherapie).
Vor allem zu Beginn der Wechseljahre, in der frühen Perimenopause, hilft manchen Frauen auch eine Progesteron-Monotherapie (ohne Östrogen) in der zweiten Zyklushälfte, Beschwerden durch die nachlassende körpereigene Produktion zu lindern. Allerdings ist die Wirkung gerade in dieser Phase individuell sehr unterschiedlich: Bei manchen verstärkt bioidentisches Progesteron die Symptome sogar. Sie profitieren dann oft eher von einem synthetischen Gestagen. Selbst erfahrene Gynäkologinnen können kaum vorhersagen, wie die jeweilige Frau auf das Progesteron reagiert – da hilft nur Ausprobieren.
Mögliche Nebenwirkungen von Progesteron
Progesteron kann zu Zyklusveränderungen, Zwischenblutungen und Brustspannen führen. Manche Frauen leiden unter der Therapie unter Kopfschmerzen, Benommenheit und Schläfrigkeit – vor allem bei einem gleichzeitigem Östrogenmangel. Als Gegenspieler von Östrogen kann Progesteron generell die Symptome eines Östrogenmangels verstärken.
Einige Medikamente, zum Beispiel Johanniskraut und manche Antibiotika, beschleunigen den Abbau von Progesteron und verringern dadurch seine Wirkung.
Ist Progesteron rezeptpflichtig?
Progesteron ist in Deutschland immer verschreibungspflichtig – außer in homöopathischer Potenzierung, wenn keine messbare Wirkstoffmenge mehr enthalten ist. In den USA sind Progesteron-Cremes dagegen auch rezeptfrei erhältlich und werden übers Internet manchmal auch bei uns angeboten. Gelegentlich findet man Produkte mit sogenanntem „natürlichen Progesteron“, die statt des Hormons Yamswurzel-Extrakt oder dessen Wirkstoff Diosgenin enthalten. Diese Stoffe sind zwar das Ausgangsprodukt für die Herstellung von bioidentischem Progesteron, der Körper kann sie aber nicht in Progesteron umwandeln.
Fazit:
- Wenn du dich für eine bioidentische Hormontherapie in den Wechseljahren entscheidest, brauchst du zusätzlich zum Östrogen auch Progesteron (außer du hast keine Gebärmutter mehr).
- Anders als Östrogen kannst du Progesteron nicht über die Haut anwenden, sondern musst es als Kapsel einnehmen oder vaginal einführen.
- Schlaffördernd wirkt Progesteron nur nach der Einnahme.
- Ob du Progesteron (und Östrogen) kontinuierlich einnimmst oder mit Unterbrechung, richtet sich danach, ob du deine Periode noch hast.