Immer wieder hört man, dass bioidentische Hormone nicht nur gegen Hitzewallungen und andere Wechseljahresbeschwerden helfen, sondern auch vor Demenz schützen. Was ist dran? Zwei große neue Studien bringen jetzt mehr Klarheit.
Fakt ist: Östrogen schützt das Gehirn. Es verlängert die Lebensdauer der Nervenzellen, erhöht ihre Aktivität und regt die Bildung neuer Synapsen an. Das ist mit ein Grund, warum viele Frauen in den Wechseljahren über Konzentrationsprobleme und Vergesslichkeit klagen. Keine Angst, dieser Gehirnnebel geht vorüber und hat mit Demenz nichts zu tun. Forschende haben allerdings auch herausgefunden, dass der Östrogenrückgang nach der Menopause Strukturveränderungen im Gehirn und Alzheimer-typische Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques) fördert. Tatsächlich leiden Frauen häufiger an Demenz als Männer: Etwa zwei Drittel der 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland sind weiblich. Studien zeigen außerdem, dass das Demenzrisiko bei Frauen umso höher ist, je später sie in die Pubertät kamen und je früher die Menopause einsetzte – je kürzer also die Zeitspanne war, in der die Eierstöcke Östrogen produzierten.
Ältere Studien zeigten ein höheres Demenzrisiko
Dass eine Hormontherapie in den Wechseljahren vor Demenz schützen könnte, erscheint durchaus plausibel. Frühere Studien zeigten allerdings genau das Gegenteil: Bei Frauen, die nach dem 65. Lebensjahr mit einer Hormontherapie begannen, stieg das Demenzrisiko auf mehr als das Doppelte. Mit neueren, vorwiegend bioidentischen Hormonen und einem früheren Behandlungsbeginn sahen die Ergebnisse zwar deutlich besser aus. Für einen wissenschaftlich anerkannten Nachweis, dass die Hormongabe vor Demenz schützt, reichte die Datenlage jedoch nicht aus.
Jetzt wurde eine neue Metaanalyse veröffentlicht, die die Ergebnisse von 51 Studien zusammenfasst. Entscheidend scheint ihr zufolge zum einen der Beginn der Hormontherapie: Startete sie im mittleren Lebensalter, so reduzierte sich das Alzheimer-Risiko um 16 Prozent; bei einem Beginn im höheren Alter oder mehr als zehn Jahre nach der Menopause fand sich dagegen kein eindeutiger Effekt. Darüber hinaus zeigte die Art der Hormontherapie einen wesentlichen Einfluss. Bei Frauen, die relativ früh mit einer reinen Östrogentherapie anfingen, sank das Demenzrisiko um mehr als 30 Prozent. Diese Form der Behandlung kommt aber nur für Frauen infrage, die keine Gebärmutter mehr haben. Für Frauen, die zum Östrogen auch Progesteron oder ein synthetisches Gelbkörperhormon nahmen, ergab sich zwar ebenfalls eine Risikoreduktion. Die erwies sich jedoch als nicht signifikant: Sie kann statistisch also dem Zufall geschuldet sein – denn die Bandbreite der Ergebnisse in den einzelnen Studien war sehr hoch und schloss auch eine Erhöhung des Risikos ein.
Weniger Alzheimer durch bioidentische Hormone?
Allerdings stammten die Daten überwiegend aus Studien mit älteren Hormonpräparaten, die die Frauen oft erst nach der Menopause und in vergleichsweise hoher Dosierung einnahmen. Nicht in die Metaanalyse eingegangen ist eine im Juni 2023 veröffentlichte dänische Studie. Sie brachte neue Erkenntnisse zum Effekt der Hormontherapie bei jüngeren Frauen. In einer sogenannten Fall-Kontroll-Studie verglichen Forschende die Vorgeschichte von knapp 6600 Demenzpatientinnen mit der zehnfachen Zahl nicht dementer Frauen. Das Ergebnis: Wer eine Hormontherapie erhielt, entwickelte in späteren Jahren mit einer um 24 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit Alzheimer oder eine andere Demenz. Das galt auch für Frauen, die bereits im Alter von 45 bis 55 Jahren mit der Hormoneinnahme begonnen hatten. Das Demenzrisiko stieg umso mehr, je länger die Behandlung andauerte – von einem Plus von 21 Prozent bei einem Jahr bis zu 74 Prozent bei mehr als zwölf Jahren Anwendung. Die meisten Teilnehmerinnen nahmen eine Kombination aus bioidentischem Östrogen (Estradiol) in Tablettenform plus synthetischem Gestagen. Nur knapp zehn Prozent nutzten eine Creme, ein Gel, Pflaster oder Spray.
Wie sich eine moderne Hormontherapie mit transdermal angewandtem Estradiol und bioidentischem Progesteron auf das Demenzrisiko auswirkt, klärt also auch diese Studie nicht. Einen sicheren Beweis liefern aus wissenschaftlicher Sicht ohnehin nur randomisierte klinische Studien. Ansonsten ist beispielsweise nicht auszuschließen, dass Frauen, die stärkere Wechseljahresbeschwerden haben und aus diesem Grund Hormone erhalten, von vornherein ein höheres Demenzrisiko aufweisen. Auch die Expertenkommission, die die ärztlichen Leitlinien formuliert, kommt zu dem Schluss: Ob eine Hormontherapie in den Wechseljahren das Demenzrisiko erhöht oder erniedrigt, ist bislang unklar. Darauf sollten Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen hinweisen, so die Empfehlung. Will heißen: Eine Hormontherapie macht Sinn, um Hitzewallungen und Wechseljahresbeschwerden zu lindern – nicht aber, um einer Demenz vorzubeugen. Das gibt die Datenlage einfach nicht her. Auch wenn manche selbsternannte Expertin etwas anderes behauptet.
Liebe Clara,
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Leider ist die Datenlage sehr verwirrend. Deine Schlussfolgerung, dass man eine Hormontherapie deshalb nicht zur Demenzvorbeugung sondern zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden machen kann, ist für mich schlüssig.
Weißt du, ab wann eine Dosis Estradiol bzw. Progesteron als hohe Dosierung gilt?
Viele Grüße,
Heike
Liebe Heike, generell sollte sich die Dosierung individuell nach den Beschwerden und idealerweise auch nach den Serumspiegeln richten. Üblich sind bei Estradiol heute 1 bis 2 mg und bei Progesteron 100 bis 200 mg pro Tag, aber je nach Bedarf und Anwendungsweise kann es auch mehr (oder weniger) sein. Meine Aussage im Blogbeitrag bezog sich auf früher eingesetzte Präparate, die mit den heutigen z. T. nicht vergleichbar sind.
Liebe Grüße, Clara