Ist Älterwerden ein Makel?

Altwerden hat ein schlechtes Image. Zumindest in unserem Kulturkreis – wenn man nicht gerade eine Flasche Wein ist. Bei Autos ist es Geschmackssache: Für die einen muss es immer das neueste Modell sein, die anderen stehen auf Oldtimer. Bei Frauen gelten jugendliches Aussehen, glatte Haut und eine mädchenhaft-schlanke Figur nach wie vor als Schönheitsideal. Die Wechseljahre markieren für viele den endgültigen Abschied von der Jugend und den Beginn des Alters. Auch in der Medizin fängt nach der Postmenopause das Senium an, das „Greisenalter“. Schmeichelhaft klingt das nicht. Kein Wunder, dass die meisten Frauen mit den Wechseljahren nur Negatives verbinden.

In anderen Kulturkreisen, zum Beispiel im asiatischen Raum und bei vielen indigenen Völkern, erfahren Frauen im Alter eine Statuserhöhung, gewinnen Ansehen, Autorität und gesellschaftlichen Einfluss. Dort haben Frauen auch körperlich viel weniger Probleme in den Wechseljahren als bei uns. Das belegen Studien. Offenbar hängt es sehr stark von der geistigen Einstellung und der Erwartungshaltung ab, inwieweit wir die Wechseljahre als Belastung empfinden. 

Jugend ist kein Wertmaßstab

Nach den Wechseljahren bleiben uns statistisch noch etwa 30 Jahre Lebenszeit. Das sind mehr als zwei Drittel unseres bisherigen Lebens als Erwachsene. In dieser Zeit können wir aus dem Vollen schöpfen: Alles, was wir an Erfahrung und geistiger Reife bis dahin gewonnen haben, können wir nutzen, um das Leben noch viel mehr als bisher zu genießen.

Ja, beim Blick in den Spiegel stellen wir fest: Die Haare werden grau, die Falten tiefer, das Gewebe schlaffer und die Fettpölsterchen am Bauch mehr… So what?? Jugend ist eine Phase des Lebens, kein Wertmaßstab. Lasst uns aufhören, Jugend mit Attraktivität oder Lebensqualität gleichzusetzen. Jung ist jeder mal gewesen, aber Älterwerden ist ein Privileg. 

Das Alter als Ehre betrachten

Die Fähigkeit, das Leben zu genießen, hängt auch gar nicht so sehr von der eigenen Gesundheit und Unversehrtheit ab. Wie viele Menschen leiden an Depressionen, obwohl sie jung und fit sind. Und wie viele Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind, beeindrucken uns durch ihre Lebensfreude. Entscheidend ist, wie wir uns in unserer Unvollkommenheit annehmen und das schätzen, was wir (noch) haben. Was nicht heißt, dass wir mit unserer Gesundheit fahrlässig umgehen dürfen. 

Um nochmal auf Autos zurückzukommen: Definitiv haben Oldtimer mehr Charakter. Jeder hat seinen eigenen Stil, keiner sieht aus wie der andere. Und die Technik ist in der Regel robuster als bei elektroniküberladenen Neuwägen. Sicher entwickelt so ein Liebhaberstück manchmal die eine oder andere Macke, braucht mehr Sprit und knackt keine Geschwindigkeitsrekorde – aber es macht Spaß, damit zu fahren. Und bei guter Pflege ist es unverwüstlich. Mit einem Oldtimer fährt man nicht jeden Tag zur Arbeit oder frisst Kilometer auf der Autobahn, sondern genießt die Spritztour auf kurvigen Landstraßen: Man nimmt sich Zeit für die schönen Dinge des Lebens. Dem ideellen – und materiellen – Wert tut das Alter keinen Abbruch. Das gilt auch für uns Frauen…

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