Kein Widerspruch: Alter und Schönheit

„Für dein Alter siehst du noch echt gut aus!“ Dass das nicht viele Frauen als Kompliment empfinden, hat sich inzwischen herumgesprochen. Bei der Variante „Ich hätte dich höchstens auf Mitte 40 geschätzt“ ertappe ich mich selbst manchmal, dass ich mich geschmeichelt fühle – obwohl auch diese Bemerkung impliziert, dass gutes Aussehen mit Jugend gleichgesetzt wird. Und dass mein Gegenüber vielleicht nicht ganz ehrlich ist 😉

Denn Fakt ist: Ich habe Falten, Schlupflider, graue Haare, einen Schwabbelbauch, Altersflecken im Gesicht und an den Beinen Besenreiser. Ich bin 57 und das sieht man mir an. Ich finde, das steht mir zu. Auch wenn die sichtbaren Zeichen des Älterwerdens in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch als Makel gelten. Und Frauen nur als schön bezeichnet werden, solange sie jung sind – oder zumindest so aussehen. Das Schlimme ist, dass wir dieses Schönheitsideal so sehr verinnerlicht haben, dass wir uns beim Blick in den Spiegel danach beurteilen.

Graue Haare sind okay, aber Falten nicht?

Ob wir uns selbst schön finden, hängt stark davon ab, welches Frauenbild wir in den Medien präsentiert bekommen. Auch im Zeitalter von „Diversity“ und „Body Positivity“ haben Frauen, die über 40 sind und ihrem Alter entsprechend aussehen, dort noch immer Seltenheitswert. Zwar schafft es neben dem einen oder anderen Plus-Size- auch immer mal wieder ein grauhaariges Senior-Model in die Fashion-Show oder auf das Titelbild eines Hochglanzmagazins. Dank Photoshop und vielleicht auch der einen oder anderen Schönheits-OP sehen die aber fast immer mindestens 20 Jahre jünger aus. 

Gesucht: realistische Vorbilder

Als Vorbild oder Inspiration taugen solche Bilder nicht. Sie verstärken nur, was sich in unseren Köpfen festgesetzt hat: Als Frau dürfen wir zwar älter werden (immerhin!), aber man soll es uns bitte nicht ansehen. Kosmetikfirmen und Beauty-Docs verdienen Milliarden mit diesem Mindset.

Ich will mir aber nicht einreden lassen, dass ich mich bemühen sollte, jünger auszusehen. Eine Creme, auf der „Anti-Aging“ steht, kaufe ich schon aus Prinzip nicht. Meine Falten sind kein Schönheitsfehler, sondern eine Begleiterscheinung des Lebens. Und ich möchte von meinen Lebensjahren kein einziges missen – warum also sollte ich sie unsichtbar machen wollen? 

„Schönheit erreichen wir, indem wir unsere Einzigartigkeit bejahen.“

Jane Fonda (*1937)

Schönheit als Gesamtkonzept

Eine Zwanzigjährige mit glatter Haut und ebenmäßigen Gesichtszügen mag hübsch anzuschauen sein. Schön ist sie in meinen Augen erst, wenn in ihren Augen die Liebe zum Leben funkelt, wenn sie einzigartig und authentisch ist, auch Ecken und Kanten hat.

Mit zunehmendem Alter verlieren die rein äußerlichen Attraktivitätsmerkmale immer mehr an Bedeutung. Schönheit wird vielmehr zum Ausdruck eines stimmigen Gesamtkonzepts: Innen und Außen ergeben ein harmonisches Bild, das man sich gerne anschaut.

Ein großer Vorteil der Wechseljahre ist, dass uns die Meinung anderer zunehmend unwichtiger wird. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, sich vom Schönheitsideal anderer unabhängig zu machen. Und uns nicht einreden zu lassen, dass Jugend (oder jugendliches Aussehen) eine Voraussetzung für Schönheit ist.

Schön ist, wer glücklich ist

Zufriedenheit macht attraktiv. Nicht die Anti-Falten-Creme oder die Botox-Spritze.

Wirklich schön sind Menschen, 

  • in deren Augen Neugier und Lebensfreude blitzen
  • aus deren Gesicht echtes, warmherziges Interesse spricht
  • die sich in ihrer Haut wohlfühlen
  • deren Frisur und Kleidung ihren eigenen Stil widerspiegeln
  • die nichts vorspielen, sondern zu sich und ihrem Alter stehen
  • die sich die Freiheit nehmen, unverwechselbar zu sein und in kein Schema zu passen

Auch ich feiere nicht jede neue Falte. Genauso wenig wie Altersflecken und Schlupflider. Aber ich nehme sie billigend in Kauf. Sie sind der Preis dafür, dass ich lebe – und den bezahle ich gerne. 

Sich selbst schön zu finden, ist allerdings viel schwieriger, als andere schön zu finden. Während mir das Gesicht einer anderen Frau auch mit sämtlichen Zeichen der Alterung gefällt, tue ich mir da bei mir selbst nicht so leicht. Aber ich übe mich …

Und ich mache Fortschritte. An guten Tagen gelingt es mir manchmal schon, beim Blick in den Spiegel zu denken: „Hallo, du Schöne!“ Völlig unabhängig davon, wie mich andere sehen. Mein Leben – meine Schönheitskriterien!

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