Wenn es Resilienz in Tüten zu kaufen gäbe – sie wäre im Moment eines der heißbegehrtesten Güter. Resilienz ist das, was uns Krisen bewältigen lässt, uns hilft, aus belastenden Lebenssituationen unbeschadet oder sogar gestärkt hervorzugehen. Und Krisen gibt es aktuell mehr, als man meint ertragen zu können: Klimakatastrophen, Pandemie, Krieg in der Ukraine. Dazu kommen die persönlichen Ängste und Belastungen, die jeder von uns mit sich herumschleppt: Krankheiten, Wechseljahre, Stress im Job, Geldsorgen, Beziehungsprobleme und und und… Kein Wunder, dass viele Menschen nahe am Verzweifeln sind. Depressive Erkrankungen, das zeigen Studien, haben in den letzten zweieinhalb Jahren deutlich zugenommen.
Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit, die uns davor bewahrt, an all dem kaputtzugehen. Oft wird Resilienz deshalb auch als Immunsystem der Seele bezeichnet. So wie unser Körper von Viren und Bakterien angegriffen wird, belasten Alltagsstress, Krisen und Schicksalsschläge unsere Psyche. Resilienz hilft, unsere seelische Gesundheit zu erhalten.
Die gute Nachricht: Resilienz kann man trainieren. Genauso wie wir unser Immunsystem: So wie wir unser Immunsystem durch gute Ernährung, frische Luft und die eine oder andere Vitaminpille fit halten, sollten wir auch jeden Tag etwas für unsere Resilienz tun. Das gilt ganz besonders in Krisenzeiten.
Vier Tipps für mehr Resilienz
Resilienzforscherinnen und -forscher haben mehrere Schlüsselfaktoren definiert, die eine resiliente Persönlichkeit ausmachen – je nach wissenschaftlichem Ansatz sind das fünf bis zehn. Die vier wichtigsten habe ich dir hier zusammengefasst.
1.) Akzeptanz: Es ist, wie es ist
Krisen und Probleme gehören zum Leben. Was passiert ist, können wir nicht rückgängig machen. Ein Schicksal anzunehmen, das man nicht ändern kann, nimmt der Krise von ihrem zerstörerischen Potenzial und setzt Kräfte frei. Es ist auch okay, angesichts einer belastenden Situation traurig, wütend, verzweifelt oder einfach nur müde zu sein. Auch das dürfen wir akzeptieren.
2.) Selbstwirksamkeit: Raus aus der Opferrolle
Das Gefühl der Ohnmacht – nichts tun zu können, um die Situation zu verbessern – ist eine der größten Belastungen für die Psyche. Aber: Wir sind dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert. Wir können immer entscheiden, wie wir reagieren. Sei es, dass wir zum Beispiel für die Ukrainehilfe spenden oder uns in einem Helferkreis engagieren. Wenn das nicht möglich ist, hilft es, im eigenen Umfeld aktiv zu werden – selbst wenn wir „nur“ den Balkon neu bepflanzen oder den Keller ausmisten. Erlaubt ist alles, was dich aus der Passivität bringt und das Leben ein bisschen schöner macht. Wichtig ist, dass wir unsere Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren und uns aktiv um unser Wohlergehen kümmern. So gut das in der jeweiligen Situation eben möglich ist.
Wir können auf unsere Fähigkeiten und Kompetenzen vertrauen. Was dabei hilft, ist ein Blick in die Vergangenheit: Welche Krisen habe ich schon bewältigt, welche Hürden überwunden? Nachweislich positiv wirkt sich auch das sogenannte expressive Schreiben aus – also regelmäßig Tagebuch zu führen und sich Trauer, Wut und Stress von der Seele zu schreiben.
3.) Netzwerkorientierung: Ich bin nicht alleine
Geteiltes Leid ist halbes Leid. Klingt abgedroschen – ist aber so. Soziale Unterstützung ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der seelischen Widerstandskraft. Deshalb: Such den Kontakt zu anderen Menschen. Tausch dich mit Freunden und Bekannten über deine Gefühle aus – mit Empathie und gegenseitigem Verständnis, aber ohne endloses Gejammer. Resiliente Menschen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie andere Menschen um Hilfe bitten und Unterstützung annehmen können.
4.) Optimismus: Wo ist das Gute?
Auch schwere Zeiten gehen irgendwann vorüber. Wer darauf vertraut, dass alles wieder besser wird, übersteht Krisen leichter. Das bedeutet nicht, dass man alles durch eine rosarote Brille sehen muss. Krankheit oder Krieg kann man nicht schönreden. Wir dürfen aber auch in schwierigen Situationen den Blick bewusst auf schöne Dinge lenken: auf die ersten Frühlingsblumen, die Sonnenstrahlen im Gesicht oder ein Treffen mit der Freundin. Das schafft einen Gegenpol zu all den Gräuelnachrichten. Und ist Balsam für die Seele.
Danke für den tollen Beitrag über Resilenz. Ich hatte u. a. damals während meiner Stellenpool-Zeit (von 2006 bis …) auch extrem ans Gute immer gedacht. Ich hatte 5x 9monatige Berufseinsätze gehabt, Gott sei Dank hatte ich das finanzielle im Hintergrund). Wenn ich mal wieder nach 9 Monaten die Stelle wechseln musste, weil diese nicht aus dem „Topf“ bezahlt wurde, sondern „allgemein“, riet mir eine Kollegin „packen sie die guten Sachen in einen Rucksack“ bzw. „sie haben die Möglichkeit, sich in zig verschiedenen Stellen einzuarbeiten/reinzuriechen“ was auch stimmte. Da ich jetzt wieder als „Angestellte im Schreibdienst“ arbeiten „darf“ (mit einer bezahlbaren Stelle), genieße ich jetzt meinen Job ganz anders, als noch vor 2006. Ich durfte in so vielen Berufen „reinschnuppern“, durfte in vielen verschiedenen Bereich Einblick nehmen, was jetzt im Nachhinein ich anders sehe, als damals und ich jetzt sehr gut finde.
Auch hatte ich während meiner Stellenpool-Zeit verschiedene Kurse, u. a. was ich mit meinen Fähigkeiten und Wertigkeiten zukünftig arbeiten möchte. Es war eine sehr lehrreiche Zeit.
Es stimmt: „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue.“ (hatte ich mal irgendwo gelesen und dieser Satz/Spruch stimmt).
LG aus Berlin sendet euch Sabine (61 J. alt)
Wieder mal ein toller Impuls, vielen Dank dafür. Vor allem die Selbstwirksamkeit ist so wichtig für mich geworden und ich bin so dankbar für die vielen Übungen, die ich die letzten Jahre kennengelernt habe und nun anwenden kann.