Herzinfarkt bei Frauen – eine unterschätzte Gefahr

Frauenherzen funktionieren anders. Sie sind – auch im Verhältnis zum Körpergewicht – kleiner als das männliche Pendant und weniger elastisch. Dafür schlagen sie schneller und kräftiger. Und sie sind stabiler: Das Risiko für einen Herzinfarkt ist bei Frauen nur etwa ein Zehntel so hoch wie bei Männern – zumindest im mittleren Lebensalter.

Denn bis zur Menopause schützen die körpereigenen Östrogene das Herz. Sie bremsen die Entstehung von Atherosklerose (Arterienverkalkung) und Bluthochdruck – den wichtigsten Risikofaktoren für einen Herzinfarkt. Wenn dieser Schutzschirm in den Wechseljahren wegfällt, geht die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen rapide in die Höhe.

Frauen sterben häufiger nach Herzinfarkt

Das Schlimme ist: Frauen, die einen Herzinfarkt erleiden, sterben daran zwei- bis dreimal so häufig wie Männer. Zum Teil liegt das daran, dass sie im Schnitt rund acht Jahre älter sind, wenn sie ihren ersten Herzanfall erleiden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit von Begleiterkrankungen. Doch auch in altersbereinigten Analysen liegen die Sterblichkeit und die Rate an schweren Komplikationen bei Frauen jeweils rund 20 Prozent über jenen der Männer.

Einer der Gründe für die schlechtere Überlebenschance ist die unterschiedliche Symptomatik. Männer erleben bei einem Herzinfarkt vor allem die – vermeintlich – typischen Beschwerden wie Engegefühl hinter dem Brustbein, Atemnot und heftige Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen. Bei Frauen überwiegen dagegen eher unspezifische Symptome. Dazu gehören beispielsweise Bauch- oder Rückenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Schwindel oder Verdauungsstörungen. Häufiger als bei Männern kommt der Infarkt bei ihnen „aus heiterem Himmel“, kündigt sich also nicht schon Tage oder Wochen vorher durch Herzbeschwerden an. 

Herzbeschwerden werden oft falsch gedeutet

Weil Betroffene und Angehörige die unklaren Symptome bei Frauen oft nicht auf das Herz zurückführen, rufen sie zu spät den Rettungsdienst. Selbst Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte tippen manchmal zunächst auf ein Rückenleiden oder Magen-Darm-Probleme. Das könnte ein Grund für die zeitverzögerte Therapie sein: Wie eine Studie 2017 zeigte, vergingen bei Frauen über 65 Jahren nach einem schweren Herzinfarkt durchschnittlich über viereinhalb Stunden, bis sie in der Notaufnahme waren – bei gleichaltrigen Männern dauerte es nur dreieinhalb Stunden. Die Autoren der Studie vermuten allerdings noch eine weitere Ursache für die Unterschiede: Gerade Frauen zögerten häufig, den Notarzt zu rufen, weil sie ihre Beschwerden nicht ernstnehmen und keine „unnötigen Umstände“ machen möchten.

Die Ursache eines Herzinfarkts ist bei beiden Geschlechtern die gleiche: der Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Meist haben sich zuvor über Jahre atherosklerotische Ablagerungen in den Gefäßwänden angesammelt. Wenn diese sogenannten Plaques kleine Einrisse bekommen, aktiviert das das Blutgerinnungssystem. Es bildet sich ein Blutpfropf, der das Gefäß verstopft und die Durchblutung des angrenzenden Herzmuskelgewebes zum Erliegen bringt. Innerhalb von 15 bis 30 Minuten stirbt der betroffene Bereich ab. Je schneller die Blutversorgung wiederhergestellt werden kann, desto geringer sind die Folgeschäden. Deshalb ist schnelles Handeln beim Verdacht auf einen Infarkt so wichtig.

Risikofaktoren wiegen bei Frauen schwerer

Die Risikofaktoren für einen Herzinfarkt unterscheiden sich bei Frauen und Männern kaum. Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und Diabetes sind zusammengenommen für mehr als die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich. Allerdings scheinen sich diese klassischen Risikofaktoren bei Frauen zum Teil schwerer auszuwirken. So steigt die Wahrscheinlichkeit einer Herzerkrankung bei Diabetikerinnen auf das Siebenfache an – bei männlichen Patienten dagegen nur auf das Zwei- bis Vierfache. Nikotin führt bei Frauen ebenfalls schon in deutlich geringeren Mengen zu einer Verengung der Arterien. Besonders gefährdet sind Raucherinnen, die die Pille nehmen. Bluthochdruck kann sich durch den Östrogenrückgang in den Wechseljahren sehr schnell entwickeln. Bei Frauen, die zuvor nie Probleme damit hatten, bleibt er dann unter Umständen lange unbemerkt – und unbehandelt. Eine große US-amerikanische Analyse zeigte zudem, dass das Herz-Kreislauf-Risiko von Frauen schon bei deutlich niedrigeren Blutdruckwerten ansteigt als bei Männern.

Bauchfett bedroht das Herz

Auch Arterienverkalkung bedeutet für das weibliche Herz eine größere Gefahr: In einer aktuellen Studie stieg das Risiko für einen Herzinfarkt bei Frauen mit einer schweren Atherosklerose auf fast das Siebenfache, bei Männern mit der gleichen Plaquedicke nur auf knapp das Zweieinhalbfache. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen nimmt allerdings der Einfluss der klassischen Risikofaktoren mit zunehmendem Alter ab. Einzige Ausnahme ist der Body-Mass-Index: Starkes Übergewicht gefährdet das Herz in jedem Alter. In besonderem Maß gilt das für eine bauchbetonte Fettverteilung, zu der die meisten Frauen durch die Hormonumstellung in den Wechseljahren neigen. 

Doch obwohl die Bedeutung der fünf klassischen Risikofaktoren für die Herzgesundheit hinreichend bekannt und bei Frauen offensichtlich noch höher als bei Männern ist, zeigen Studien immer wieder: Mediziner nehmen die Prävention von Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei weiblichen Patienten weniger ernst. Viele Ärzte messen offenbar Cholesterin, Blutdruck und Blutzucker bei Frauen seltener. Und bei gleichhohen Werten erhalten Männer häufiger eine adäquate Therapie.

Schwangerschaften beeinflussen das Risiko

Darüber hinaus haben Forschende in den letzten Jahrzehnten weitere Aspekte entdeckt, die speziell bei Frauen das Infarktrisiko beeinflussen. Dazu zählen insbesondere Schwangerschaftskomplikationen: Bei Frauen, bei denen Schwangerschaftsdiabetes oder -bluthochdruck diagnostiziert wurde, steigt die Gefahr einer späteren Herz-Kreislauf-Erkrankung und eines Herzinfarkts. Das Gleiche gilt nach einer Fehlgeburt oder wenn das Kind zu früh oder (durch eine Wachstumsverzögerung) deutlich zu klein auf die Welt kam. Wie eine neue Studie belegt, erhöht auch ein besonders kurzer oder besonders langer Menstruationszyklus (weniger als 21 oder mehr als 35 Tage) die spätere Herzinfarktgefahr, in einem geringen Maß auch die Antibabypille. Frauen mit einem polyzystischen Ovar-Syndrom (PCOS) tragen ebenfalls ein höheres Risiko. Einzelne Studien deuten außerdem darauf hin, dass Umweltgifte und psychischer Stress die Gefäßgesundheit bei Frauen stärker gefährden als bei Männern.

Schützt die Hormontherapie vor einem Herzinfarkt? 

Klar ist: Je länger der weibliche Körper ausreichende Mengen an Östrogenen produziert, umso besser ist das Herz geschützt. Bei Frauen, die besonders früh in die Wechseljahre kommen – veranlagungsbedingt oder zum Beispiel nach einer operativen Entfernung der Eierstöcke –, steigt deshalb die Infarktgefahr. Die ärztlichen Leitlinien raten bei ihnen deshalb zu einer Hormonersatztherapie. Bei Frauen mit einer regulären Menopause, also nach dem 45. Lebensjahr, scheint die Einnahme von Hormonen das Herz-Kreislauf-Risiko dagegen eher zu erhöhen. Wie neuere Studien belegen, hängt das jedoch stark vom Zeitpunkt ihres Beginns ab: Startet die Hormontherapie innerhalb von höchstens sechs Jahren nach der letzten Periodenblutung oder vor dem 60. Lebensjahr, so steigt das Herzinfarktrisiko nicht oder höchstens geringfügig. Auf atherosklerotische Gefäßveränderungen und den Blutdruck hat sie offenbar sogar einen positiven Einfluss. Von Vorteil ist dabei die Anwendung von bioidentischem Östrogen über die Haut (durch ein Gel, Spray oder Pflaster), weil sie im Vergleich zu Tabletten die Thromboseneigung reduziert.

So reduzierst du dein Risiko:

  • Ernähr dich gesund: Iss viel Obst und Gemüse, reduziere deinen Fleischkonsum (vor allem Wurstwaren und rote Fleischsorten) und verwende hochwertige pflanzliche Öle statt tierischer Fette
  • Treibe regelmäßig Sport: Insbesondere Ausdauersport hält das Herz-Kreislauf-System fit.
  • Achte auf eine ausreichende Versorgung mit Antioxidantien – wie Vitamin C und E, Carotinoide, Polyphenole, Omega-3-Fettsäuren. Sie bremsen das sogenannte Entzündungsaltern, das Atherosklerose fördert.
  • Rauchen ist Gift für das Herz und die Gefäße – das ist dir sicher schon lange klar.
  • Checke regelmäßig deinen Blutdruck und mindestens einmal pro Jahr deine Blutfettwerte (Cholesterin) – auch dann, wenn du bisher nie Probleme damit hattest. In den Wechseljahren steigen die Werte manchmal schnell.
  • Wenn bei dir während einer Schwangerschaft erhöhte Blutdruck- oder Blutzuckerwerte festgestellt wurden, du eine Fehlgeburt hattest oder ein Kind mit zu geringem Gewicht zur Welt kam oder du an PCOS leidest: Weise deinen Hausarzt oder deine Hausärztin darauf hin und achte ganz besonders auf deinen Blutdruck und dein Cholesterin.
  • Reduziere Stress: Meditationen, Yoga oder Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelrelaxation können das Stressniveau senken.

Und – für den Fall der Fälle: Denk (bei dir selbst oder bei anderen) daran, dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen nicht nur durch den typischen Brustschmerz äußert! 

In etwas ausführlicherer Form habe ich darüber einen Beitrag für die Pharmazeutische Zeitung geschrieben: Gefahr fürs weibliche Herz

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