„Ich hab mir vor Lachen fast in die Hose gemacht“, sagen wir, wenn wir etwas zum Brüllen komisch finden. Aber der Spaß ist schnell vorbei, wenn es nicht beim „fast“ bleibt. An Inkontinenz, also dem unfreiwilligen Abgang von Urin, leidet schätzungsweise jede zweite Frau nach den Wechseljahren zumindest gelegentlich.
Darüber reden tut jedoch kaum jemand. Blasenschwäche ist auch heute noch ein Tabuthema. Wer damit kämpft, ist tunlichst darauf bedacht, dass niemand etwas merkt. Das kann die Lebensqualität ganz schön beeinträchtigen: Unternehmungen werden nach der Lage der verfügbaren Toiletten ausgerichtet, hüpfende Bewegungen vermieden, selbst schnelles Gehen oder Treppensteigen kann schon zum Problem werden. Aus Scham vergraben sich viele in ihr vermeintliches Schicksal. Zwei von drei Frauen, das haben Studien gezeigt, sprechen das Problem nicht einmal dem Arzt oder der Ärztin gegenüber an. Dabei gibt es heute erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten – selbst bei schwerer Inkontinenz.
Drang- oder Stressinkontinenz?
Mediziner unterscheiden mehrere Formen von Blasenschwäche: zum einen die Dranginkontinenz, bei der der Harndrang plötzlich so stark ist, dass man es nicht mehr bis zur Toilette schafft. Häufiger ist jedoch die Stress- oder Belastungsinkontinenz. Typisch dafür ist unkontrollierter Urinverlust beim Lachen, Husten, Springen oder schweren Heben – immer, wenn der Druck im Bauchraum plötzlich steigt. Im Gegensatz zur Dranginkontinenz spürt man vorher keinen Harndrang. Es gibt allerdings, gerade bei Frauen nach den Wechseljahren, auch Mischformen.
Der Beckenboden verliert an Spannkraft
Unter Stressinkontinenz – die übrigens nichts mit psychischem Stress zu tun hat, sondern vom englischen „stress“ für Druck kommt – leiden fast ausschließlich Frauen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen kommt es bei vielen Frauen mit zunehmendem Alter zu einer Schwächung des Beckenbodens. In dieser Muskelplatte, die die Lage unserer Beckenorgane im Bauchraum stabilisiert, liegt der äußere Schließmuskel. Wenn in den Wechseljahren die Östrogenproduktion zurückgeht, nehmen die Durchblutung und die Elastizität des Gewebes ab – der Beckenboden wird schlaffer. Vaginale Geburten (also nicht durch Kaiserschnitt) belasten ihn zusätzlich. Auch Übergewicht, chronische Verstopfung, eine schlechte Körperhaltung und häufiges schweres Heben können den Beckenboden schwächen.
Das alleine trägt schon dazu bei, dass Blasenverschluss nicht mehr so stabil ist wie in jüngeren Jahren. Im Laufe der Zeit kann es dann auch noch zu einer Beckenbodensenkung kommen (mehr dazu gibt´s in einem Folgebeitrag). Die Blase, manchmal auch die Gebärmutter und/ oder Scheide rutscht dadurch weiter nach unten. Weil der Harnröhrenausgang seine Lage am Schambein aber nicht verändert, verstärkt sich die Krümmung der Harnröhre. Das kann die Funktion des Blasenverschlusses zusätzlich beeinträchtigen. Und Druckwellen, die beim Husten oder Lachen entstehen, können nicht mehr vom Beckenboden aufgefangen werden, sondern treffen direkt auf die Blase.
Die Schleimhäute werden dünner
Ursache Nr. 2 für die zunehmende Verbreitung der Blasenschwäche in den Wechseljahren ist die geschrumpfte Polsterung der Harnröhre. Denn Östrogene sorgen nicht nur in der Scheide für gut durchblutete und ausreichend dicke Schleimhäute, sondern auch in der Harnröhre. Dort wirkt die gesunde Schleimhaut quasi wie eine zusätzliche Dichtung im Blasenverschluss. Wenn der Östrogenspiegel sinkt, wird die mit der Zeit immer dünner. Bis zu einem gewissen Grad kann das ein gut trainierter Verschlussmuskel ausgleichen. Reicht das nicht aus, wird die Blase leck.
Was hilft bei Stressinkontinenz?
Ein starker Beckenboden ist das beste Mittel gegen Stressinkontinenz. Je früher du anfängst, ihn zu trainieren, desto besser. Gute Sportarten für einen kräftigen Beckenboden sind zum Beispiel Pilates, Yoga, Reiten, Hula-Hoop-Training, Schwimmen und Radfahren. Noch besser ist gezieltes Beckenbodentraining. Solange nur ab und zu beim Lachen oder Husten ein paar Tropfen in die Hose gehen, kann man damit noch wirksam gegensteuern. Das belegen wissenschaftliche Studien. Die Kosten für entsprechende Kurse übernimmt in der Regel sogar die Krankenkasse.
Den Beckenboden stärken
Wenn du Kinder hast, hast du wahrscheinlich schon Bekanntschaft mit deinem Beckenboden gemacht: bei der Geburtsvorbereitung und/ oder Rückbildungsgymnastik. Dann weißt du sicher auch, wie du ihn an- und entspannen kannst. Wenn nicht, hilft dir vielleicht die Vorstellung, dass du auf der Toilette den Urinstrahl unterbrechen möchtest. Der Muskel, der sich dabei zusammenzieht, ist der, um den es geht. Ein paar einfache Übungen, wie du Beckenbodentraining gut in den Alltag integrieren kannst, findest du im Beitrag „Das richtige Training für deinen Beckenboden“.
Trainingshilfen
Optimieren kann man das Muskeltraining durch Biofeedback, Vaginalkonen („Liebeskugeln“ oder kegelförmige Kunststoffgebilde, die man in die Scheide einführt) oder Elektrostimulation. Diese Hilfsmittel gibt es auch für den selbständigen Gebrauch zu Hause. Am besten lässt du dich aber vorher von einer Beckenbodentrainerin oder deiner Gynäkologin beraten, was für dich am geeignetsten ist.
Östrogencreme für die Schleimhaut
Deine Frauenärztin oder dein Frauenarzt kann auch am besten beurteilen, was die Ursache für deine Inkontinenz ist und welche Behandlung die größte Erfolgsaussicht hat. Bei einer sogenannten vaginalen Atrophie, wenn also die Scheiden- und Harnröhrenschleimhaut durch den Östrogenmangel ausgedünnt ist, hilft eine lokale, niedrigdosierte Hormonbehandlung mit Östrogencreme oder -zäpfchen (mit bioidentischem Östriol). Die wirkt nur an Ort und Stelle und hat praktisch keine Nebenwirkungen. Eine Hormonersatztherapie, die auf den gesamten Organismus wirkt, kann die Blasenschwäche dagegen sogar verschlimmern.
Medikamente gegen Inkontinenz
Bei einer schweren Inkontinenz kann der Arzt ein Medikament (mit dem Wirkstoff Duloxetin) verschreiben, das die Muskelspannung des Blasenverschlussmuskels erhöht. Auch Pessare haben sich in Studien als wirksam erwiesen – vorausgesetzt, sie sind optimal angepasst und verrutschen nicht. Die scheiben-, ring- oder würfelförmigen Gebilde aus Silikon werden in die Scheide eingeführt und unterstützen dort die Harnröhren- und Blasenwand. Ein relativ neues Verfahren ist das „Unterpolstern“ der Harnröhre im Bereich des äußeren Schließmuskels durch die Injektion von Kollagen oder Silikon. Deren Wirkung hält allerdings teilweise nur kurz an; Langzeit-Ergebnisse fehlen noch.
TVT-Operation
Ist eine Blasensenkung schuld an der Inkontinenz, kommt als letztes Mittel ein operativer Eingriff in Frage. Dabei legt der Operateur ein spannungsfreies Kunststoffband um die Harnröhre (tension-free vaginal tape, TVT). Dadurch wird diese angehoben und der Blasenverschluss verbessert. Das geschieht minimal-invasiv von der Scheide aus. In Studien lag die Erfolgsquote nach zehn Jahren noch bei bis zu 90 Prozent.