Die Wechseljahre im Bundestag

Die Wechseljahre halten Einzug in die Politik. Zumindest ist der erste Schritt dazu gemacht: Am 16. März 2023 lud die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) zur Veranstaltung „Oh Meno – Warum die Wechseljahre uns alle etwas angehen“ in den Deutschen Bundestag. 

„Für mich sind die Wechseljahre immer noch eines der letzten Tabuthemen“, sagte Bär. Obwohl aktuell in Deutschland etwa neun Millionen Frauen betroffen sind, habe sie sich im Vorfeld von einigen Männern anhören müssen, das sei nur „Frauengedöns“ und ein „Exotenthema“. Immerhin war das Interesse an der Veranstaltung so groß, dass mehrfach ein neuer, größerer Sitzungsaal gesucht werden musste. Aus ganz Deutschland, sogar aus den Nachbarländern, waren rund 150 Frauen angereist: Ärztinnen, Heilpraktikerinnen, Bloggerinnen, Ernährungswissenschaftlerinnen, Fitnesstrainerinnen, Journalistinnen, Unternehmerinnen – lauter Frauen, die es sich wie ich zur Aufgabe gemacht haben, die Wechseljahre aus der Tabuzone zu holen. Drei Männer waren auch dabei.

16,89 Euro pro Quartal

Auf dem Podium saßen – neben Dorothee Bär und Julia Klöckner, der wirtschaftspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion – zwei Bestsellerautorinnen als Wechseljahresexpertinnen: Miriam Stein („Die gereizte Frau“), die die Veranstaltung initiiert hatte, und Sheila de Liz („Woman on Fire“). „Die Diagnose N95, klimakterische Störung, wurde im Jahr 2020 sieben Millionen Mal gestellt“, erklärte Miriam Stein. Trotzdem wisse niemand etwas damit anzufangen. Sheila de Liz betonte: „Ärzte lernen in der Facharztausbildung Gynäkologie nichts über die Wechseljahre.“ Wer sich dafür interessiere, müsse sich das Wissen in seiner Freizeit und auf eigene Kosten aneignen. Der finanzielle Anreiz dafür ist gering. Denn pro Quartal bekommt ein Frauenarzt nur eine Pauschale von 16,89 Euro für eine Kassenpatientin – eine Tatsache, die die Politikerinnen sichtbar schockierte. Für die dringend notwendigen Beratungsgespräche gibt es in den Wechseljahren kein Geld. Das sei „Fließbandmedizin“, meinte Miriam Stein und „eine Beleidigung“, so Sheila de Liz. 

In der fast zweistündigen angeregten Diskussion zwischen den beiden Buchautorinnen, den Politikerinnen und den Gästen wurden kristallisierten sich einige Punkte heraus, die Frauen in den Wechseljahren das Leben erleichtern könnten:

  • mehr Aufklärung über mögliche Symptome der Wechseljahre
  • bessere Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte
  • mehr Honorar für ärztliche Wechseljahresberatung
  • mehr Unterstützung am Arbeitsplatz für Frauen mit menopausalen Beschwerden
  • mehr Forschung 

Mit dieser Liste wollen Klöckner und Bär jetzt eine Debatte im Plenum des Bundestags anstoßen. Spätestens bis zum 18. Oktober, dem Welt-Menopausetag, soll das Thema dort in der großen Runde diskutiert werden.

Vorbild Großbritannien

In anderen Ländern ist man da schon viel weiter: In Großbritannien haben sich bereits mehr als 2000 Unternehmen – etwa die BBC und der gesamte öffentliche Dienst – dazu verpflichtet, für ein wechseljahresfreundliches Arbeitsumfeld zu sorgen. Da geht es beispielsweise um flexiblere Arbeitszeiten, Pausenregelungen, individuelle Temperatursteuerung und Akzeptanz durch Chefs und Kollegen. Anders als in Deutschland hat man dort längst erkannt, welch enormen wirtschaftlichen Schaden es mit sich bringt, wenn Frauen in der Lebensmitte aufgrund von Wechseljahresbeschwerden nicht mehr ihr berufliches Potenzial ausschöpfen können. 

Bleibt zu hoffen, dass die Auftaktveranstaltung der Unionspolitikerinnen wirklich den Stein ins Rollen bringt – und Frauen in den Wechseljahren endlich die Lobby bekommen, die ihnen zusteht. Von den anderen politischen Parteien im Bundestag, die Miriam Stein ebenfalls kontaktiert hatte, habe keine für das Thema Interesse gezeigt, sagte sie.

Für mich persönlich war es ein sehr inspirierender Abend. Im Sitzungssaal vibrierte die Luft von der positiven Energie und der Aufbruchsstimmung der vielen Frauen, die die Wechseljahre endlich aus der Tabuzone holen wollen. „Wir sind 9 Millionen“ stand nicht nur auf vielen T-Shirts, es drückte auch das Wir-Gefühl und die Solidarität aus, die wir so dringend brauchen. 

Schade fand ich, dass die Hormonersatztherapie sehr in den Vordergrund gestellt wurde: als Allheilmittel für sämtliche Beschwerden und zur Vorbeugung diverser Altersleiden. Aber das war mit Sheila de Liz als Podiumsgast nicht anders zu erwarten. Auf meinen Einwand, dass es – außer zur Prävention von Osteoporose – dazu bisher keine Langzeitstudien mit eindeutigen Ergebnissen gibt, entgegnete sie nur: „Man weiß, dass nach der Menopause das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes steigt.“ Das stimmt, das weiß man. Das beweist aber noch nicht, dass bioidentische Hormone das Risiko tatsächlich senken (mehr dazu: „Was kann die Hormontherapie – und was nicht?“). Und auch nicht, dass die Hormontherapie bis zum Lebensende, wie sie sie propagiert, tatsächlich keine Nebenwirkungen hat. Immerhin waren wir uns einig, dass es noch einigen Forschungsbedarf gibt.

Irgendwann kommen wir dann hoffentlich dahin, dass jede Frau in ihren Wechseljahren die Versorgung bekommt, die sie braucht. Die sie optimal unterstützt, gut durch diese Lebensphase zu kommen – ihr hilft, psychisch und physisch gesund zu bleiben, ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und das Älterwerden genießen zu können. Damit das auf allen Ebenen funktionieren kann, brauchen wir die Politik.

Fotos: Dorothee Bär + privat

14 Gedanken zu „Die Wechseljahre im Bundestag“

  1. Liebe Clara,
    wie schön, dass es dich gibt. Deine Gedanken, Impulse und dein – für mich inspirierender ganzheitlicher Blickwinkel, den ich teile. Lieben Gruss und weiterhin viel Kraft beim Weitermachen, Teilen und Aufklären. Von Herzen Danke Claudia Pardon

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  2. Hallo,
    das Thema in den Bundestag einzubringen! Wow! Da möchte ich gerne dabei sein. Wie erfahre ich wann die nächsten Veranstaltungen sind? Könnte mir das bitte jemand sagen. Das wäre toll! Vielen lieben Dank Grüße Kira

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    • Liebe Kira, das war die erste Veranstaltung dieser Art und ich fürchte, es wird eine Weile dauern, bis es weitergeht 🤨. Wenn es soweit ist, erfährst du es auf jeden Fall hier oder auf meinem Instagram-Kanal. Liebe Grüße, Clara

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  3. hallo Clara, vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Ich finde es auch sehr erschreckend, was da in unserer Gesellschaft beim Thema Wechseljahre passiert – nämlich so gut wie nix! Als ich vor ca 15 Jahren offensichtlich in den Wechseljahren ankam, verschrieb mir ein Frauenarzt nacheinander 3 Hormon-Medikamente. Als ich auch beim 3. Medikament meinte, dass ich arge Nebenwirkungen hätte, sagte er mir, da wäre ich aber ganz schön empfindlich, da müsse man eben durch und solange durchprobieren, bis man was passendes gefunden hätte. Auf meine Frage, ob man nicht vielleicht erstmal einen Hormonstatus machen könne, meinte er, dass ich dann einen Monat lang jeden Tag morgens, mittags, abends zur Blutabnahme kommen müsste und wer das denn bezahlen wolle. Seitdem bin ich NIE WIEDER bei einem Frauenarzt gewesen. Ich fand dieses Erlebnis schockierend! Ich ertrage jetzt seit Jahren Depressionen und Stimmungsschwankungen etc pp. Dass man von den allermeisten Ärzten nicht wirklich ernst genommen wird ist eine absolute Schande! Und in meinem Umfeld kann ich mich lediglich ein paar sehr wenigen Freundinnen anvertrauen, denen es genauso geht wie mir. Das Thema Wechseljahre wird einfach nicht ernst genommen bzw peinlich berührt tot geschwiegen. Ein Hoch auf Frauen wie dich, die in die Öffentlichkeit treten und für uns Wechseljahrefrauen eintreten und Infos geben. LG Susa

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    • Liebe Susa, solche Erlebnisse mit Ärzten sind wirklich entwürdigend und leider kein Einzelfall. Aber: Es gibt auch gute Ärzt:innen, die sich kümmern. Ich kann dich nur ermutigen, die Hoffnung nicht aufzugeben und dir eine solche zu suchen.
      Liebe Grüße und vielen Dank für dein Feedback 😊 Clara

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  4. Liebe Clara,
    danke schön für deinen erneuten sehr hilfreichen Beitrag!
    Deine Beiträge tun mir gut!! Unter anderem, weil es mir sehr hilft, zu wissen, dass ich mich mit den vielen Veränderungen meines Körpers in guter Gesellschaft befinde. Spreche ich in meinem Umfeld darüber, äußern sich die Frauen erleichtert über ihre Veränderungen. Deine Seite habe ich schon vielen empfohlen!
    Erstaunlicher Weise hatte ich vor ca. 2 Jahren folgendes Phänomen: Ich war sehr strickt gegen eine Hormonersatztherapie. Dann bekam ich sehr extreme Schwitzattacken. Eine Kollegin empfahl mir ein pflanzliches Präparat, welches ich auch über 1 Jahr einnahm und gleichzeitig sprach meine junge Frauenärztin, (Nachfolgerin) über neue Erkenntnisse in der Hormon-Einnahme über einen Zeitraum von 5 Jahren inkl. Ausprobieren der Dosis. Nach vielen innerlichen Gesprächen gab ich mir die Erlaubnis, diese zu testen. Fazit: Ich habe das Rezept eingelöst, die Produkte stehen im Schrank, das extreme Schwitzen verschwand einige Wochen später. Ob da wirklich ein Zusammenhang besteht, weiss ich natürlich nicht. Es fühlte sich einbisschen so an.
    Danke für deinen Einsatz!!!
    Herzliche Grüße
    Silke

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    • Liebe Silke, es kann gut sein, dass dir das Medikament im Schrank den Druck genommen hat, deine Beschwerden aushalten zu müssen. Hitzewallungen haben ja auch viel mit Stress zu tun. Für mich persönlich finde ich es auch entspannend zu wissen, dass ich auf eine Hormontherapie zurückgreifen kann, falls die Beschwerden unerträglich werden.
      Liebe Grüße, Clara

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      • Hallo Clara, ich finde nicht, dass Hitzewallungen ursächlich mit Stress zu tun haben. Hitzewallungen werden immer noch durch die Veränderungen im Hormonhaushalt ausgelöst, dabei können sie durch Stress verstärkt werden, weil es eine Verbindung zwischen Östrogen, Gestagen und den Stresshormonen Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol gibt. Es ist aber leider nicht so, dass Hitzewallungen durch Stress ausgelöst werden und also wieder verschwinden, wenn man den Stress vermeidet. Selbst wenn man keinerlei Stress hat oder sich selber macht, kann es sein, dass man unter extremen Hitzewallungen und sonstigen Wechseljahrsbeschwerden leidet.
        Wenn man sich das Bein gebrochen hat, bekommt man auch nicht die Empfehlung Entspannungsübungen zu machen, sondern das Bein wird ruhig gestellt. Anders bei Wechseljahrsbeschwerden, da glauben viele, es reicht die Einstellung zu ändern, die Ernährung zu verbessern, mehr Sport zu machen und schon hat man keine Probleme mehr.

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        • Hallo meera2004 (?), natürlich ist Stress nicht die primäre Ursache der Hitzewallungen, aber er kann sie verstärken – eben wegen der Verbindung zwischen Cortisol und den Geschlechtshormonen einerseits und der Wärmeregulation des Körpers andererseits. Und tatsächlich kann akuter Stress auch eine Hitzewallung auslösen, zum Beispiel in einer Prüfungssituation oder wenn einem ein peinliches Missgeschick passiert.
          Liebe Grüße, Clara

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  5. Liebe Clara ,vielen herzlichen Dank für diesen Artikel,ich lese immer sehr gerne in deinem Blog.Du hast geschrieben, dass du es schade fandest, dass die Hormonersatztherapie sehr in den Vordergrund gestellt wurde.Leider ist es dies doch fast überall so; wenn man sich über die Wechseljahre informiert,dann kommt es ganz schnell zu diesem Thema.Vor einigen Monaten habe ich „WECHSELleben“ entdeckt und bin ganz glücklich darüber. Es tut mir sehr gut,deine Beiträge zu lesen und auch,dass du der Hormonersatztherapie kritisch gegenüber stehst.Da schwimmst du wirklich gegen den Strom.
    Viele liebe Grüße, Dagmar

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  6. „Die Wechseljahre halten Einzug in die Politik. Zumindest ist der erste Schritt dazu gemacht: Am 16. Mai 2023 lud die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) zur Veranstaltung“
    Das Datum scheint mir doch recht in der Zukunft zu liegen für eine bereits gelaufene Veranstaltung?

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