Wie perfekt muss Weihnachten sein?

„Weihnachten ist die Hölle“, sagte neulich eine Freundin zu mir. Vielen Menschen erscheint der Gedanke an einen besinnlichen Advent wie der blanke Hohn. Stattdessen prägen Stress und Hektik die vermeintlich „staade Zeit“.

Für mich ist die Weihnachtszeit die beste Gelegenheit zu lernen, sich vom eigenen Perfektionismus zu verabschieden. Denn der ist eine der wichtigsten Ursachen für ungesunden Stress. Und wann ist der Wunsch, alles perfekt haben zu wollen, größer als an Weihnachten?

Endlose To-Do-Listen

Auch bei mir war es früher nicht anders. Die To-Do-Liste für die Vorweihnachtszeit hat mich schon im November erschlagen. Ein selbstgebastelter Adventskalender für die Kinder, gefüllt mit vielen netten Kleinigkeiten, für jeden individuell und liebevoll zusammengestellt. Ein Adventskranz „von der Stange“? Nein, selbst gebunden und dekoriert sollte er sein. Und natürlich wollte ich unbedingt mit den Kindern Plätzchen backen – nicht nur eine Sorte. Dazu noch einen Stollen nach dem Rezept von der Oma. Die Weihnachtsdeko hängt sich auch nicht von selber auf. Ein Christbaum musste her, aber frisch gefällt, regional und bio sollte er sein. Außerdem schön groß und perfekt gewachsen. 

Nicht zu vergessen die Geschenke: Was bekommt der Gatte, was der Nachwuchs, womit kann ich Freunden und Verwandten eine Freude machen? Am besten auch etwas Selbstgemachtes, auf keinen Fall darf es irgendein Standardgeschenk sein. Oh Mist! – schon wieder hatte ich eine der zahlreichen Kindergärtnerinnen, Musikschullehrerinnen, Spielgruppenbetreuer oder Übungsleiter im Sportverein vergessen, die sich doch bestimmt auch über ein kleines Dankeschön freuen. Und der Postbote? Die Müllmänner? Nie, wirklich nie habe ich es geschafft, alle mir selbst auferlegten Erwartungen zu erfüllen.

Hoher Erwartungsdruck von allen Seiten

Heiligabend lag es in meiner Verantwortung, dass die gesamte Verwandtschaft bei uns ein harmonisches Fest erlebte. Inklusive Festmahl. Schaffe ich es, das Haus vorher in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen? Hatte ich rechtzeitig Fleisch und Baguette bestellt?  Irgendetwas fiel mir immer erst in letzter Minute ein… Dann schnell noch den Baum schmücken, ohne dass es die Kinder merken (eigentlich macht das ja alles das Christkind). Und auch nachdem mein Mann und ich schon getrennt waren, spielten wir jedes Jahr heile Familie. Das kostete Kraft – oft mehr, als ich noch hatte. Genutzt hat der ganze Vorbereitungs-Marathon nicht viel: Allzu oft gab es spätestens beim Essen Streit. Wie in vielen Familien. Auch zu Hause bei meinen Eltern war es nicht anders.

Trotzdem liebe ich Weihnachten. Und jede einzelne dieser Aktionen habe ich gerne gemacht. Es hat mich auch niemand dazu gezwungen – ich wollte es selber so. Es war nur manchmal ein bisschen viel.

Geht ´s auch entspannter?

Heute würde ich das alles gar nicht mehr schaffen. Ist auch gar nicht mehr nötig. Meine Kinder sind aus dem Haus, an das Christkind glauben sie schon lange nicht mehr. Aber die Erwartungen an das „Fest der Liebe“ hängen immer noch hoch. Es wäre doch zu schön, wenn endlich mal alles perfekt wäre… alle Geschenke rechtzeitig besorgt, alles vorbereitet und vor allem: alles entspannt.

Geklappt hat das bis heute noch nicht. Vielleicht bin ich dafür einfach zu chaotisch. Aber ich versuche, alles gelassener zu sehen. Ich überlege mir, was mir wirklich wichtig ist, was ich machen will und was ich machen kann. Dieses Jahr habe ich Lebkuchen gebacken – sonst nichts. Die Weihnachtsdeko in meiner Wohnung beschränkt sich auf drei schlichte Sterne. Dafür genieße ich es umso mehr, wenn es rundherum in den Straßen glitzert und leuchtet. Einen Christbaum gibt es nicht: Schon immer haben mir all die netten Tannenbäume leid getan, die nach zwei Wochen auf dem Müll landen. Statt Adventskranz habe ich mir letztes Jahr ein Holzschwein mit vier Kerzenhaltern besorgt. Okay, am ersten Advent fehlten noch die passenden Kerzen… aber was soll´s.

Abschied vom Perfektionismus

Die Weihnachtszeit ist quasi mein Boot-Camp, um mir meinen Perfektionswahn abzutrainieren. Davon profitiere ich dann – so hoffe ich – das ganze Jahr. Denn: Sich vom eigenen Perfektionismus zu verabschieden bedeutet, eine der Hauptursachen von Stress auszuschalten. Und Stress, das wissen wir, ist in jeder Lebensphase Gift für das hormonelle Gleichgewicht. In den Wechseljahren aber ganz besonders: Der Schutz durch Östrogene wird immer dünner – deshalb sinkt die psychische Belastungsfähigkeit und die Stressempfindlichkeit steigt. Hitzewallungen und anderen Wechseljahresbeschwerden verstärken sich… was wiederum Stress verursacht. Ein Teufelskreis.

In der Weihnachtszeit ist es ganz besonders wichtig, Prioritäten zu setzen. Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Und die (vermeintlichen) Erwartungen anderer von den eigenen Bedürfnissen. Die Wechseljahre schenken uns dafür die notwendige innere Freiheit und zunehmende Unabhängigkeit vom Urteil der Mitmenschen. 

Aber was bleibt dann von Weihnachten? Was wäre Weihnachten ohne selbstgebackene Plätzchen, ohne Adventskranz, Christbaum und Lichterketten? Vielleicht wird Weihnachten mit reduzierten Erwartungen wieder ein bisschen mehr zu dem, was es ursprünglich war: eine Idee von Frieden, von Gemeinschaft und von Liebe – was immer das für den Einzelnen bedeutet.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen fröhliche und entspannte Weihnachtstage!

Und hier noch ein paar Tipps, falls ihr trotzdem Lust auf ein schnell gemachtes Weihnachtsgeschenk habt:

Getreidefreies Granola
Lavendelsirup
Cooling-Spray gegen Hitzewallungen

2 Gedanken zu „Wie perfekt muss Weihnachten sein?“

  1. Liebe Clara,

    in der Tat – Stress ist das letzte was man Weihnachten braucht, daher sollte man sich keinen machen. Also … im Prinzip … aber vermutlich klappt das wieder nicht. Ich finde es jedenfalls eine gute Idee, wenn man ein paar Gewohnheiten weglässt.

    Meine Lieblingsgeschichte dazu: Vor ein paar Jahren hatten wir als Weihnachtsmenü eine Pizza „Oh du Fröhliche“ vom Lieferdienst, mit Ente und Blaukraut drauf. War die perfekt? Nein. Aber sie war gut und originell, hat ein paar Stunden Zeit am 24.12. gespart – und man hat immer was zu erzählen, wenn alle anderen damit angeben, was sie Tolles Weihnachten geleistet haben. Klar ist man damit wie in unserer „essens-lastigen“ Verwandtschaft so ein bisschen Außenseiter, aber wer will schon immer angepasst sein. Ist vielleicht mal eine Idee, um auch das zu üben: sich im Kreis der Verwandtschaft als unangepasst darzustellen.

    Leider habe ich nach meinem letzten Umzug keinen Pizzadienst gefunden, der hier auch so eine Weihnachtspizza anbietet, aber man könnte z.B. auch was vom Inder bestellen, in hübsche Schüsseln umtopfen und trotzdem den Tisch weihnachtlich decken. So viel schlechter als ich kocht der Liefer-Inder übrigens auch wieder nicht 😉

    In diesem Sinne: lasst euch alle nicht stressen,
    weniger ist mehr,
    liebe Grüße und FROHE WEIHNACHTEN,
    Sonja

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    • Liebe Sonja, vielen Dank für deine Anregung! Die Idee mit der Weihnachtspizza finde ich grandios. Ich wünsche dir ebenfalls ein entspanntes und fröhliches Weihnachtsfest!
      Liebe Grüße, Clara

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