Stress ist immer ein Gesundheits-Killer – in den Wechseljahren aber ganz besonders. Der Hauptgrund: Solange unsere Eierstöcke noch fleißig Östrogen und Progesteron produzieren, schützt uns das vor einem zu hohen Spiegel an Stresshormonen. Etwa ab Anfang vierzig, manchmal auch schon früher, bekommt dieser Schutzschirm allmählich Löcher. Mit dem Ausbleiben der Monatsblutung fällt er praktisch komplett weg.
Dummerweise ist das bei vielen Frauen genau der Zeitpunkt, an dem innere und äußere Stressfaktoren zunehmen: Die Kinder werden erwachsen und zwingen uns, unser Leben neu zu ordnen, oft kriselt es auch in der Partnerschaft. Das eigene Rollenverständnis und die Lebensziele brauchen ein Update. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass unsere Jugend unwiederbringlich vorbei ist, dass wir auch äußerlich altern und sich die Figur verändert. Alles kein Zuckerschlecken! Dazu kommen vielleicht noch ein aufreibender Job und Eltern oder Schwiegereltern, die zunehmend Unterstützung und Pflege brauchen.
Als wäre das alles nicht genug, beutelt uns in den Wechseljahren auch noch das Hormonchaos. Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und vieles mehr… kein Wunder, dass uns manchmal einfach alles zu viel wird. Und je gestresster wir sind, desto schlechter ernähren wir uns in der Regel. Fast Food, unregelmäßige Mahlzeiten, zu viel Schokolade als Seelentröster – all das bedeutet für unseren Körper, der um seine hormonelle Balance kämpft, noch eine zusätzliche Belastung.
Stress verstärkt Hitzewallungen
Einerseits haben wir also mehr Stress, andererseits verkraften wir weniger – weil der Schutz durch die Östrogene fehlt. Eine ungute Kombination. Wenn wir jetzt nicht durch ausreichend Möglichkeiten zum Stressabbau gegensteuern, schütten die Nebennieren immer mehr Stresshormone aus, vor allem Cortisol. Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel hat für unseren Organismus fatale Folgen. Unter anderem wird die Produktion der Geschlechtshormone noch weiter eingeschränkt. Denn bei Stress schaltet der Körper um auf den „Fight or Flight“-Modus, auf Kampf oder Flucht. Sexualität, erholsamer Schlaf und die langfristige Gesundheit bleiben da auf der Strecke. Stattdessen steigen die Herzfrequenz und der Blutzuckerspiegel, die Ansammlung von Fettgewebe im Bauchbereich wird gefördert, das Immunsystem geschwächt. Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen verstärken sich. Aber nicht nur das: Der Dauer-Alarmzustand unseres Körpers erhöht das Risiko für viele Erkrankungen – zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, Osteoporose, Autoimmunerkrankungen und sogar Krebs.
Checkliste: Zehn Zeichen, dass dein Cortisolspiegel zu hoch ist
- Dein Blutdruck ist zu hoch.
- Du schläfst nicht mehr gut, dein Schlafrhythmus ist gestört.
- Du hast Schwierigkeiten, dich zu konzentrieren.
- Dein Gedächtnis ist schlecht.
- Du fängst häufig Infektionen ein.
- Du leidest an chronischen Entzündungen.
- Dein Bauch wird immer dicker.
- Du bekommst oft Heißhungerattacken.
- Du bist nicht mehr so leistungsfähig und brauchst nach Anstrengungen länger, bis du dich erholt hast.
- Du bist schnell reizbar und sehr ungeduldig.
Hast du mehr als fünfmal genickt? Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du an chronischem Stress und einem erhöhten Cortisolspiegel leidest. Höchste Zeit zum Gegensteuern!
Wechseljahre: Zeit zum Stressabbau
Stress lässt sich nicht immer vermeiden. Kurzfristiger Stress schadet dem Körper auch gar nicht, sondern hilft, in schwierigen Situationen Energiereserven zu mobilisieren. Wichtig ist aber zu erkennen, was die Psyche grundlegend belastet. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: ein unbefriedigender Job, eine unglückliche Beziehung, Menschen, die deine Grenzen nicht beachten, nicht ausgelebte Bedürfnisse, der eigene Perfektionismus und vieles, vieles mehr. Manchmal liegen die Gründe auf der Hand, manchmal erfordert es geduldiges und ehrliches In-sich-hineinspüren, ihnen auf die Spur zu kommen.
Hast du herausgefunden, was dich nachhaltig stresst, kannst du versuchen, diese Faktoren zu eliminieren – oder zumindest zu reduzieren. Das ist nicht immer einfach. Es kann bedeuten, sich von Menschen oder Lebensumständen verabschieden zu müssen, die einen lange begleitet haben. Oft reichen aber schon kleinere Kurskorrekturen: vielleicht ein neues Aufgabenfeld im Beruf, das gemeinsame Arbeiten an der Partnerschaft oder ein „Outsourcen“ ungeliebter und zeitfressender Tätigkeiten im Haushalt.
Auf die eigenen Grenzen achten
Was bei sehr vielen Frauen eine der größten Stellschrauben ist: die eigenen Grenzen zu erkennen und auch von anderen einzufordern, sie zu respektieren. Die Wünsche und Bedürfnisse anderer nicht über die eigenen zu stellen. Wir müssen nicht jede Bitte erfüllen, wenn es uns nicht guttut – auch nicht im Familien- und Freundeskreis. Denn das ist gerade bei Frauen einer der Hauptgründe für chronischen Stress. Ein klares „Nein“ auszusprechen, fällt vielen von uns schwer. Aber auch hier macht Übung den Meister. Die meisten Menschen haben weniger Probleme das zu akzeptieren, als wir uns ausmalen. Und: Jedes „Nein“ zu etwas, das dir nicht guttut, ist ein „Ja“ zu dir selbst.
Mindestens ebenso wichtig wie Stress zu vermeiden ist es, im Alltag für genügend Möglichkeiten zum Stressabbau zu sorgen. Wie das im Einzelnen aussieht, ist ebenfalls von Mensch zu Mensch verschieden. Bewegung in der Natur und die Beschäftigung mit einem Hobby funktionieren eigentlich immer. Kleine, bewusst genommene Auszeiten helfen ebenfalls: eine Tasse Kaffee mit allen Sinnen genießen, sich zwei Minuten einfach mal nur auf den Atem konzentrieren, beim Essen bei jedem Bissen genau auf Geruch, Geschmack, Konsistenz und das Mundgefühl achten.
Entspannung senkt den Cortisolspiegel
Spätestens in den Wechseljahren ist es an der Zeit, sich gezielt mit Entspannungsmethoden zu beschäftigen. Welche dir hilft, musst du ausprobieren: Meditation, Yoga, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson – es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Ganz ohne geht es nach meiner Erfahrung in den Wechseljahren nicht.
Die Basics – gesunde, vitalstoffreiche Ernährung und ausreichend Schlaf – solltest du natürlich auch nicht vernachlässigen. Und unter Umständen brauchst du viel Geduld. Denn wenn der Stresshormon-Regelkreis durch chronisch erhöhte Cortisolspiegel erst einmal nachhaltig gestört ist, kann es Monate oder sogar Jahre dauern, bis er sich wieder erholt hat. Also besser gleich mit dem Stressmanagement anfangen!
Danke für den wirklich wunderschön geschriebenen und einfühlsamen Artikel. Manchmal finde ich es einfach tröstlich zu wissen, dass ich für gewisse Dinge gar nichts kann. Für meine Entspannung bin ich natürlich selbst verantwortlich. Liebe Grüße